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Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849.

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schäften der Einzelnen und der Banken ein: so würde der Capi-
talist, der nun nicht mehr wie bei einer Prioritäts-Actie seinen
festen Zinsfuß in voller Ruhe genießen könnte, gezwungen, wenig-
stens durch Aufsicht und ein Sich-Kümmern ums Geschäft sein
Jnteresse wahrzunehmen. Für die Jnhaber von Stamm-Actien
der Eisenbahnen ist dies Bedürfniß bereits vielfach eingetreten.
Die Rente wäre so ein Amt, das allgemein zu werden
hat. Der Rentner in einer Gesellschaft, die sich gliedern will, ist
nichts Anderes, als der Schutzwächter der gesellschaftlichen Erspar-
nisse, der Verwalter der durch die Rente gebildeten Capitale. Die
Rente tritt an die Stelle des Capitals; dieses ist ideell, jene das
Wirkliche. Der normale Zustand der Menschheit, wo Jeder von
den Früchten seiner gegenwärtigen oder vergangenen Arbeit lebt,
würde sich auf diese Weise bald verwirklichen. An diese letzte
Grenze ihrer jetzigen Wünsche angelangt, würde sich für die Augen
der Menschen ein ganz anderer Gesichtskreis öffnen. Das Reich
des Fleisches würde untergehen, und das Geisterreich auf Erden
wiederhergestellt sein.

Doch um diese höheren Sphären, wo die Staatswirthschaft auf-
hören muß, Arbeiten und Essen für die einzige offenbare Bestimmung
des Menschen anzusehen, und ihn zu geistigern Genüssen auffordert,
betreten zu können, ist noch ein Widerspruch zu lösen, den wir frü-
her entwickelten. Am Ende der ganzen Wissenschaft zeigt derselbe
sich in seiner ganzen Fürchterlichkeit: Wenn zu viel Erzeugnisse,
ungeachtet alles Umlaufs, vorhanden sind, so muß man die Ver-
zehrer durch steigende Bevölkerung mehren; aber durch die ver-
mehrten Verzehrer sind dann nicht mehr genug Erzeugnisse da,
um die Verzehrer zu ernähren, und kein Platz auf der Erde, um
sie unterzubringen. So lange die bewohnbare Erde noch nicht
überall bevölkert ist, kann der Ueberfluß der Bevölkerung durch
Pflanzstädte abgeführt werden, welche mit dem Mutterlande
in gegliedertem Zusammenhange bleiben müssen. Unbewohnbare
Theile der Erde können durch Kunst bewohnbar gemacht werden.
Aber wenn nun erst die ganze Erde übervölkert, auf der ganzen
Erde kein bewohnbares Fleckchen mehr leer ist, dann würde die
gesellschaftliche Frage unlösbar sein: oder andere Mittel müßten
aufgesucht werden, sie zu lösen. Und ist es auch noch nicht nöthig,

ſchäften der Einzelnen und der Banken ein: ſo würde der Capi-
taliſt, der nun nicht mehr wie bei einer Prioritäts-Actie ſeinen
feſten Zinsfuß in voller Ruhe genießen könnte, gezwungen, wenig-
ſtens durch Aufſicht und ein Sich-Kümmern ums Geſchäft ſein
Jntereſſe wahrzunehmen. Für die Jnhaber von Stamm-Actien
der Eiſenbahnen iſt dies Bedürfniß bereits vielfach eingetreten.
Die Rente wäre ſo ein Amt, das allgemein zu werden
hat. Der Rentner in einer Geſellſchaft, die ſich gliedern will, iſt
nichts Anderes, als der Schutzwächter der geſellſchaftlichen Erſpar-
niſſe, der Verwalter der durch die Rente gebildeten Capitale. Die
Rente tritt an die Stelle des Capitals; dieſes iſt ideell, jene das
Wirkliche. Der normale Zuſtand der Menſchheit, wo Jeder von
den Früchten ſeiner gegenwärtigen oder vergangenen Arbeit lebt,
würde ſich auf dieſe Weiſe bald verwirklichen. An dieſe letzte
Grenze ihrer jetzigen Wünſche angelangt, würde ſich für die Augen
der Menſchen ein ganz anderer Geſichtskreis öffnen. Das Reich
des Fleiſches würde untergehen, und das Geiſterreich auf Erden
wiederhergeſtellt ſein.

Doch um dieſe höheren Sphären, wo die Staatswirthſchaft auf-
hören muß, Arbeiten und Eſſen für die einzige offenbare Beſtimmung
des Menſchen anzuſehen, und ihn zu geiſtigern Genüſſen auffordert,
betreten zu können, iſt noch ein Widerſpruch zu löſen, den wir frü-
her entwickelten. Am Ende der ganzen Wiſſenſchaft zeigt derſelbe
ſich in ſeiner ganzen Fürchterlichkeit: Wenn zu viel Erzeugniſſe,
ungeachtet alles Umlaufs, vorhanden ſind, ſo muß man die Ver-
zehrer durch ſteigende Bevölkerung mehren; aber durch die ver-
mehrten Verzehrer ſind dann nicht mehr genug Erzeugniſſe da,
um die Verzehrer zu ernähren, und kein Platz auf der Erde, um
ſie unterzubringen. So lange die bewohnbare Erde noch nicht
überall bevölkert iſt, kann der Ueberfluß der Bevölkerung durch
Pflanzſtädte abgeführt werden, welche mit dem Mutterlande
in gegliedertem Zuſammenhange bleiben müſſen. Unbewohnbare
Theile der Erde können durch Kunſt bewohnbar gemacht werden.
Aber wenn nun erſt die ganze Erde übervölkert, auf der ganzen
Erde kein bewohnbares Fleckchen mehr leer iſt, dann würde die
geſellſchaftliche Frage unlösbar ſein: oder andere Mittel müßten
aufgeſucht werden, ſie zu löſen. Und iſt es auch noch nicht nöthig,

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[114/0124] ſchäften der Einzelnen und der Banken ein: ſo würde der Capi- taliſt, der nun nicht mehr wie bei einer Prioritäts-Actie ſeinen feſten Zinsfuß in voller Ruhe genießen könnte, gezwungen, wenig- ſtens durch Aufſicht und ein Sich-Kümmern ums Geſchäft ſein Jntereſſe wahrzunehmen. Für die Jnhaber von Stamm-Actien der Eiſenbahnen iſt dies Bedürfniß bereits vielfach eingetreten. Die Rente wäre ſo ein Amt, das allgemein zu werden hat. Der Rentner in einer Geſellſchaft, die ſich gliedern will, iſt nichts Anderes, als der Schutzwächter der geſellſchaftlichen Erſpar- niſſe, der Verwalter der durch die Rente gebildeten Capitale. Die Rente tritt an die Stelle des Capitals; dieſes iſt ideell, jene das Wirkliche. Der normale Zuſtand der Menſchheit, wo Jeder von den Früchten ſeiner gegenwärtigen oder vergangenen Arbeit lebt, würde ſich auf dieſe Weiſe bald verwirklichen. An dieſe letzte Grenze ihrer jetzigen Wünſche angelangt, würde ſich für die Augen der Menſchen ein ganz anderer Geſichtskreis öffnen. Das Reich des Fleiſches würde untergehen, und das Geiſterreich auf Erden wiederhergeſtellt ſein. Doch um dieſe höheren Sphären, wo die Staatswirthſchaft auf- hören muß, Arbeiten und Eſſen für die einzige offenbare Beſtimmung des Menſchen anzuſehen, und ihn zu geiſtigern Genüſſen auffordert, betreten zu können, iſt noch ein Widerſpruch zu löſen, den wir frü- her entwickelten. Am Ende der ganzen Wiſſenſchaft zeigt derſelbe ſich in ſeiner ganzen Fürchterlichkeit: Wenn zu viel Erzeugniſſe, ungeachtet alles Umlaufs, vorhanden ſind, ſo muß man die Ver- zehrer durch ſteigende Bevölkerung mehren; aber durch die ver- mehrten Verzehrer ſind dann nicht mehr genug Erzeugniſſe da, um die Verzehrer zu ernähren, und kein Platz auf der Erde, um ſie unterzubringen. So lange die bewohnbare Erde noch nicht überall bevölkert iſt, kann der Ueberfluß der Bevölkerung durch Pflanzſtädte abgeführt werden, welche mit dem Mutterlande in gegliedertem Zuſammenhange bleiben müſſen. Unbewohnbare Theile der Erde können durch Kunſt bewohnbar gemacht werden. Aber wenn nun erſt die ganze Erde übervölkert, auf der ganzen Erde kein bewohnbares Fleckchen mehr leer iſt, dann würde die geſellſchaftliche Frage unlösbar ſein: oder andere Mittel müßten aufgeſucht werden, ſie zu löſen. Und iſt es auch noch nicht nöthig,

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Zitationshilfe: Michelet, Karl Ludwig: Die Lösung der gesellschaftlichen Frage. Frankfurt (Oder) u. a., 1849, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelet_loesung_1849/124>, abgerufen am 22.11.2024.