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Meyfart, Johann Matthäus: Teutsche Rhetorica. Coburg, 1634.

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Teutschen Rhetorica.
Klägern als Zeugen/ gewiß er wird loßge-
zehlet von Gott als dem Richter. Viel-
leicht muß er in Verachtung ligen vor
den Menschen? Er wird in Ehren schwe-
ben vnter den Cherubinen. Vielleicht muß
er sich schänden lassen von den Neydern?
Gewiß man wird jhn loben bey den Sera-
phinen.

Diese Figur ist sehr dienlich die GemütherGebrauch.
der Zuhörer zubewegen. Zumahl wenn das
verbesserungs Wort sich artlich schicket/
vnd hat solches viel ein grösser Ansehen/
weil es folget/ als wenn es vorher gienge.
Jedoch muß sich der Redener vorsehen daß
es jhm nicht gehe/ wie jenem/ der sagete:
Jch habe jhm dapffer in seiner gefährlichen
Kranckheit beygestanden? Was geholffen/
Jch bin alle Tage auff sein Losament kommen/
vnd was er nicht essen können/ vezehret. Ein
anderer verjrrete sagete: Jenes Mägdlein
hette tausend Gülden/ sein Gesell erinnerte/
es würde nicht so viel seyn: Darauff redet
der Großsprecher/ so weren es doch zehend-
halb hundert Gülden/ der Gesell hielte Wie-
part/ biß der Großsprecher letzlich bethewrete/
Er wüste sie hette sechtzig Gülden.

Das

Teutſchen Rhetorica.
Klaͤgern als Zeugen/ gewiß er wird loßge-
zehlet von Gott als dem Richter. Viel-
leicht muß er in Verachtung ligen vor
den Menſchen? Er wird in Ehren ſchwe-
ben vnter den Cherubinen. Vielleicht muß
er ſich ſchaͤnden laſſen von den Neydern?
Gewiß man wird jhn loben bey den Sera-
phinen.

Dieſe Figur iſt ſehr dienlich die GemuͤtherGebrauch.
der Zuhoͤrer zubewegen. Zumahl wenn das
verbeſſerungs Wort ſich artlich ſchicket/
vnd hat ſolches viel ein groͤſſer Anſehen/
weil es folget/ als wenn es vorher gienge.
Jedoch muß ſich der Redener vorſehen daß
es jhm nicht gehe/ wie jenem/ der ſagete:
Jch habe jhm dapffer in ſeiner gefaͤhrlichen
Kranckheit beygeſtanden? Was geholffen/
Jch bin alle Tage auff ſein Loſament kom̃en/
vnd was er nicht eſſen koͤnnen/ vezehret. Ein
anderer verjrꝛete ſagete: Jenes Maͤgdlein
hette tauſend Guͤlden/ ſein Geſell erinnerte/
es wuͤrde nicht ſo viel ſeyn: Darauff redet
der Großſprecher/ ſo weren es doch zehend-
halb hundert Guͤlden/ der Geſell hielte Wie-
part/ biß der Großſprecher letzlich bethewrete/
Er wuͤſte ſie hette ſechtzig Guͤlden.

Das
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[365/0385] Teutſchen Rhetorica. Klaͤgern als Zeugen/ gewiß er wird loßge- zehlet von Gott als dem Richter. Viel- leicht muß er in Verachtung ligen vor den Menſchen? Er wird in Ehren ſchwe- ben vnter den Cherubinen. Vielleicht muß er ſich ſchaͤnden laſſen von den Neydern? Gewiß man wird jhn loben bey den Sera- phinen. Dieſe Figur iſt ſehr dienlich die Gemuͤther der Zuhoͤrer zubewegen. Zumahl wenn das verbeſſerungs Wort ſich artlich ſchicket/ vnd hat ſolches viel ein groͤſſer Anſehen/ weil es folget/ als wenn es vorher gienge. Jedoch muß ſich der Redener vorſehen daß es jhm nicht gehe/ wie jenem/ der ſagete: Jch habe jhm dapffer in ſeiner gefaͤhrlichen Kranckheit beygeſtanden? Was geholffen/ Jch bin alle Tage auff ſein Loſament kom̃en/ vnd was er nicht eſſen koͤnnen/ vezehret. Ein anderer verjrꝛete ſagete: Jenes Maͤgdlein hette tauſend Guͤlden/ ſein Geſell erinnerte/ es wuͤrde nicht ſo viel ſeyn: Darauff redet der Großſprecher/ ſo weren es doch zehend- halb hundert Guͤlden/ der Geſell hielte Wie- part/ biß der Großſprecher letzlich bethewrete/ Er wuͤſte ſie hette ſechtzig Guͤlden. Gebrauch. Das

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Zitationshilfe: Meyfart, Johann Matthäus: Teutsche Rhetorica. Coburg, 1634, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyfart_rhetorica_1634/385>, abgerufen am 24.11.2024.