Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. I. Stück. dagegen, man will auch noch etwas seyn,man denkt an das Gute, so man noch an sich habe, ob man auch schon Böses began- gen, und will also gleichsam mit GOtt Ab- rechnung halten, man will nicht als ein Blutarmer, Tod- Hölle- und Verdamm- niß-würdiger Sünder in einer recht ausge- leerten und demüthigen Seelengestalt zum Thron der Gnade fliehen, sein armes Herz da ausschütten, und um Gnade und Er- barmung schreyen und anhalten, aber da gehts denn einem, wie es David erfahren, Psalm 32:3. Da ichs wollte verschwei- gen, verschmachteten mir meine Ge- beine. Andere Aufgeweckte fehlen hie auf diese Weise, wenn das Strafamt des heili- gen Geistes in ihnen anfängt, die Abgrün- de des Sündengreuels zu offenbaren, so er- schrickt man heftig, aber anstatt man sich das ganze Sündenverderben sollte bekannt machen lassen, so wehrt man sich dagegen durch gutscheinende Mittel, man nimmt einen Vorsatz, hinfort frömmer zu leben, aber damit wird öfters die Gnade gehindert, die Lust zur Frömmigkeit verliehrt sich wie- der, das Herz wird wieder leichtsinnig, und bald wieder in die vorige Sicherheit hingerissen. Wehre man sich doch durch Eigenliebe, Entschuldigungen, nichtige Ausflüchte und tausenderley schädliche Vor- ur- B 2
Thaten der Gnade. I. Stuͤck. dagegen, man will auch noch etwas ſeyn,man denkt an das Gute, ſo man noch an ſich habe, ob man auch ſchon Boͤſes began- gen, und will alſo gleichſam mit GOtt Ab- rechnung halten, man will nicht als ein Blutarmer, Tod- Hoͤlle- und Verdamm- niß-wuͤrdiger Suͤnder in einer recht ausge- leerten und demuͤthigen Seelengeſtalt zum Thron der Gnade fliehen, ſein armes Herz da ausſchuͤtten, und um Gnade und Er- barmung ſchreyen und anhalten, aber da gehts denn einem, wie es David erfahren, Pſalm 32:3. Da ichs wollte verſchwei- gen, verſchmachteten mir meine Ge- beine. Andere Aufgeweckte fehlen hie auf dieſe Weiſe, wenn das Strafamt des heili- gen Geiſtes in ihnen anfaͤngt, die Abgruͤn- de des Suͤndengreuels zu offenbaren, ſo er- ſchrickt man heftig, aber anſtatt man ſich das ganze Suͤndenverderben ſollte bekannt machen laſſen, ſo wehrt man ſich dagegen durch gutſcheinende Mittel, man nimmt einen Vorſatz, hinfort froͤmmer zu leben, aber damit wird oͤfters die Gnade gehindert, die Luſt zur Froͤmmigkeit verliehrt ſich wie- der, das Herz wird wieder leichtſinnig, und bald wieder in die vorige Sicherheit hingeriſſen. Wehre man ſich doch durch Eigenliebe, Entſchuldigungen, nichtige Ausfluͤchte und tauſenderley ſchaͤdliche Vor- ur- B 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0071" n="19"/><fw place="top" type="header">Thaten der Gnade. <hi rendition="#aq">I</hi>. Stuͤck.</fw><lb/> dagegen, man will auch noch etwas ſeyn,<lb/> man denkt an das Gute, ſo man noch an<lb/> ſich habe, ob man auch ſchon Boͤſes began-<lb/> gen, und will alſo gleichſam mit GOtt Ab-<lb/> rechnung halten, man will nicht als ein<lb/> Blutarmer, Tod- Hoͤlle- und Verdamm-<lb/> niß-wuͤrdiger Suͤnder in einer recht ausge-<lb/> leerten und demuͤthigen Seelengeſtalt zum<lb/> Thron der Gnade fliehen, ſein armes Herz<lb/> da ausſchuͤtten, und um Gnade und Er-<lb/> barmung ſchreyen und anhalten, aber da<lb/> gehts denn einem, wie es David erfahren,<lb/> Pſalm 32:3. <hi rendition="#fr">Da ichs wollte verſchwei-<lb/> gen, verſchmachteten mir meine Ge-<lb/> beine.</hi> Andere Aufgeweckte fehlen hie auf<lb/> dieſe Weiſe, wenn das Strafamt des heili-<lb/> gen Geiſtes in ihnen anfaͤngt, die Abgruͤn-<lb/> de des Suͤndengreuels zu offenbaren, ſo er-<lb/> ſchrickt man heftig, aber anſtatt man ſich<lb/> das ganze Suͤndenverderben ſollte bekannt<lb/> machen laſſen, ſo wehrt man ſich dagegen<lb/> durch gutſcheinende Mittel, man nimmt<lb/> einen Vorſatz, hinfort froͤmmer zu leben,<lb/> aber damit wird oͤfters die Gnade gehindert,<lb/> die Luſt zur Froͤmmigkeit verliehrt ſich wie-<lb/> der, das Herz wird wieder leichtſinnig,<lb/> und bald wieder in die vorige Sicherheit<lb/> hingeriſſen. Wehre man ſich doch durch<lb/> Eigenliebe, Entſchuldigungen, nichtige<lb/> Ausfluͤchte und tauſenderley ſchaͤdliche Vor-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ur-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0071]
Thaten der Gnade. I. Stuͤck.
dagegen, man will auch noch etwas ſeyn,
man denkt an das Gute, ſo man noch an
ſich habe, ob man auch ſchon Boͤſes began-
gen, und will alſo gleichſam mit GOtt Ab-
rechnung halten, man will nicht als ein
Blutarmer, Tod- Hoͤlle- und Verdamm-
niß-wuͤrdiger Suͤnder in einer recht ausge-
leerten und demuͤthigen Seelengeſtalt zum
Thron der Gnade fliehen, ſein armes Herz
da ausſchuͤtten, und um Gnade und Er-
barmung ſchreyen und anhalten, aber da
gehts denn einem, wie es David erfahren,
Pſalm 32:3. Da ichs wollte verſchwei-
gen, verſchmachteten mir meine Ge-
beine. Andere Aufgeweckte fehlen hie auf
dieſe Weiſe, wenn das Strafamt des heili-
gen Geiſtes in ihnen anfaͤngt, die Abgruͤn-
de des Suͤndengreuels zu offenbaren, ſo er-
ſchrickt man heftig, aber anſtatt man ſich
das ganze Suͤndenverderben ſollte bekannt
machen laſſen, ſo wehrt man ſich dagegen
durch gutſcheinende Mittel, man nimmt
einen Vorſatz, hinfort froͤmmer zu leben,
aber damit wird oͤfters die Gnade gehindert,
die Luſt zur Froͤmmigkeit verliehrt ſich wie-
der, das Herz wird wieder leichtſinnig,
und bald wieder in die vorige Sicherheit
hingeriſſen. Wehre man ſich doch durch
Eigenliebe, Entſchuldigungen, nichtige
Ausfluͤchte und tauſenderley ſchaͤdliche Vor-
ur-
B 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |