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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

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Der grossen und seligen
indessen die arme Seele unter tausend Aeng-
sten, siehet sie sich gleich ohne Wehr und
Waffen, ohnmächtig, arm und schwach.
Nur getrost, bange Seele! richte deine Au-
gen auf den an dem Creutz gestorbenen Her-
zog des Lebens; dieser hat Kraft genug,
dich gegen alles Denken der Vernunft zu
erretten. Er hat nicht nur als der St[ä]rke-
re den Starken gebunden, und ihm seinen
Hausrath geraubet; Er hat nicht nur der
alten Schlange den Kopf zerknirschet, son-
dern er hat durch seinen Tod die Macht ge-
nommen dem, der des Todes Gewalt hatte.
Nun liegt der Feind ohnmächtig zu seinen
Füssen, die Siegesfahne ist über ihn ge-
schwungen, ein einiger Wink unsers mäch-
tigen Erretters macht seine Anschläge zu
Schanden, und vereitelt alle seine Absich-
ten. Ja! sprichst du in deiner Angst, ich
zweifle freylich nicht an der Macht meines
Heylandes; aber ich bin nicht versichert,
daß auch ich mich derselben zu trösten habe.
Richte dich auf, geliebte Seele! dein Hey-
land kan dich so leicht nicht fahren lassen,
nachdem er so viel Marter, Blut und Tod
an dich gewaget hat. Hatte David so zärt-
liche Liebe für seine Heerde getragen, daß er
sein Leben für ein einiges Schaaf gewaget,
hat er so viel Muth und Herz gehabt, ei-

nem

Der groſſen und ſeligen
indeſſen die arme Seele unter tauſend Aeng-
ſten, ſiehet ſie ſich gleich ohne Wehr und
Waffen, ohnmaͤchtig, arm und ſchwach.
Nur getroſt, bange Seele! richte deine Au-
gen auf den an dem Creutz geſtorbenen Her-
zog des Lebens; dieſer hat Kraft genug,
dich gegen alles Denken der Vernunft zu
erretten. Er hat nicht nur als der St[aͤ]rke-
re den Starken gebunden, und ihm ſeinen
Hausrath geraubet; Er hat nicht nur der
alten Schlange den Kopf zerknirſchet, ſon-
dern er hat durch ſeinen Tod die Macht ge-
nommen dem, der des Todes Gewalt hatte.
Nun liegt der Feind ohnmaͤchtig zu ſeinen
Fuͤſſen, die Siegesfahne iſt uͤber ihn ge-
ſchwungen, ein einiger Wink unſers maͤch-
tigen Erretters macht ſeine Anſchlaͤge zu
Schanden, und vereitelt alle ſeine Abſich-
ten. Ja! ſprichſt du in deiner Angſt, ich
zweifle freylich nicht an der Macht meines
Heylandes; aber ich bin nicht verſichert,
daß auch ich mich derſelben zu troͤſten habe.
Richte dich auf, geliebte Seele! dein Hey-
land kan dich ſo leicht nicht fahren laſſen,
nachdem er ſo viel Marter, Blut und Tod
an dich gewaget hat. Hatte David ſo zaͤrt-
liche Liebe fuͤr ſeine Heerde getragen, daß er
ſein Leben fuͤr ein einiges Schaaf gewaget,
hat er ſo viel Muth und Herz gehabt, ei-

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[354/0406] Der groſſen und ſeligen indeſſen die arme Seele unter tauſend Aeng- ſten, ſiehet ſie ſich gleich ohne Wehr und Waffen, ohnmaͤchtig, arm und ſchwach. Nur getroſt, bange Seele! richte deine Au- gen auf den an dem Creutz geſtorbenen Her- zog des Lebens; dieſer hat Kraft genug, dich gegen alles Denken der Vernunft zu erretten. Er hat nicht nur als der Staͤrke- re den Starken gebunden, und ihm ſeinen Hausrath geraubet; Er hat nicht nur der alten Schlange den Kopf zerknirſchet, ſon- dern er hat durch ſeinen Tod die Macht ge- nommen dem, der des Todes Gewalt hatte. Nun liegt der Feind ohnmaͤchtig zu ſeinen Fuͤſſen, die Siegesfahne iſt uͤber ihn ge- ſchwungen, ein einiger Wink unſers maͤch- tigen Erretters macht ſeine Anſchlaͤge zu Schanden, und vereitelt alle ſeine Abſich- ten. Ja! ſprichſt du in deiner Angſt, ich zweifle freylich nicht an der Macht meines Heylandes; aber ich bin nicht verſichert, daß auch ich mich derſelben zu troͤſten habe. Richte dich auf, geliebte Seele! dein Hey- land kan dich ſo leicht nicht fahren laſſen, nachdem er ſo viel Marter, Blut und Tod an dich gewaget hat. Hatte David ſo zaͤrt- liche Liebe fuͤr ſeine Heerde getragen, daß er ſein Leben fuͤr ein einiges Schaaf gewaget, hat er ſo viel Muth und Herz gehabt, ei- nem

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Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/406>, abgerufen am 23.11.2024.