Es ist bey einem Menschen schon halb gewonnen, wenn bey der Gnadenarbeit des heiligen Geistes das Herz redlich, aufge- schlossen und willig ist; aber da fehlt es bey denen meisten. Wie mancher fühlet nicht eine kräftige Aufweckung, einen lebendigen Zug, ein anhaltendes Strafen, und eine unaufhörliche Bemühung des Geistes JE- su in seinem Gewissen. Ein Schlag, eine Aufmunterung, eine Unruhe und ein Lo- cken folget auf das andere, der Sünde den Dienst aufzusagen, und den Heyland und seine blutige Wunden zur Versöhnung und Reinigung zu suchen. Aber da wehrt sich die verfinsterte Vernunft, da lehnet sich das Fleisch auf, und setzet sich gegen die Arbeit der Gnade, man möchte freylich auch gerne selig werden, aber man will auch noch man- ches aus Sodom behalten und mitnehmen; man will nicht gerne die liebsten Schoos- und Busensünden fahren lassen; man ist nicht willig, das, was dem Fleisch noch so angenehm ist, zu verläugnen; man scheuet sich, mit dem Abfalom dem Eigenwillen unsäuberlich umzugehen, und ihn anzugrei- fen, daß es ihm wehe thut. Fähret das Herz fort, bey allem Anstrengen der Gna- de, und bey allem ihrem Locken, sich durch alle Hindernisse durchzuwagen, widerspen- stig und widerstrebend zu seyn; so stehen de-
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
Es iſt bey einem Menſchen ſchon halb gewonnen, wenn bey der Gnadenarbeit des heiligen Geiſtes das Herz redlich, aufge- ſchloſſen und willig iſt; aber da fehlt es bey denen meiſten. Wie mancher fuͤhlet nicht eine kraͤftige Aufweckung, einen lebendigen Zug, ein anhaltendes Strafen, und eine unaufhoͤrliche Bemuͤhung des Geiſtes JE- ſu in ſeinem Gewiſſen. Ein Schlag, eine Aufmunterung, eine Unruhe und ein Lo- cken folget auf das andere, der Suͤnde den Dienſt aufzuſagen, und den Heyland und ſeine blutige Wunden zur Verſoͤhnung und Reinigung zu ſuchen. Aber da wehrt ſich die verfinſterte Vernunft, da lehnet ſich das Fleiſch auf, und ſetzet ſich gegen die Arbeit der Gnade, man moͤchte freylich auch gerne ſelig werden, aber man will auch noch man- ches aus Sodom behalten und mitnehmen; man will nicht gerne die liebſten Schoos- und Buſenſuͤnden fahren laſſen; man iſt nicht willig, das, was dem Fleiſch noch ſo angenehm iſt, zu verlaͤugnen; man ſcheuet ſich, mit dem Abfalom dem Eigenwillen unſaͤuberlich umzugehen, und ihn anzugrei- fen, daß es ihm wehe thut. Faͤhret das Herz fort, bey allem Anſtrengen der Gna- de, und bey allem ihrem Locken, ſich durch alle Hinderniſſe durchzuwagen, widerſpen- ſtig und widerſtrebend zu ſeyn; ſo ſtehen de-
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Thaten der Gnade. IV. Stuͤck.
Es iſt bey einem Menſchen ſchon halb
gewonnen, wenn bey der Gnadenarbeit des
heiligen Geiſtes das Herz redlich, aufge-
ſchloſſen und willig iſt; aber da fehlt es bey
denen meiſten. Wie mancher fuͤhlet nicht
eine kraͤftige Aufweckung, einen lebendigen
Zug, ein anhaltendes Strafen, und eine
unaufhoͤrliche Bemuͤhung des Geiſtes JE-
ſu in ſeinem Gewiſſen. Ein Schlag, eine
Aufmunterung, eine Unruhe und ein Lo-
cken folget auf das andere, der Suͤnde den
Dienſt aufzuſagen, und den Heyland und
ſeine blutige Wunden zur Verſoͤhnung und
Reinigung zu ſuchen. Aber da wehrt ſich
die verfinſterte Vernunft, da lehnet ſich das
Fleiſch auf, und ſetzet ſich gegen die Arbeit
der Gnade, man moͤchte freylich auch gerne
ſelig werden, aber man will auch noch man-
ches aus Sodom behalten und mitnehmen;
man will nicht gerne die liebſten Schoos-
und Buſenſuͤnden fahren laſſen; man iſt
nicht willig, das, was dem Fleiſch noch ſo
angenehm iſt, zu verlaͤugnen; man ſcheuet
ſich, mit dem Abfalom dem Eigenwillen
unſaͤuberlich umzugehen, und ihn anzugrei-
fen, daß es ihm wehe thut. Faͤhret das
Herz fort, bey allem Anſtrengen der Gna-
de, und bey allem ihrem Locken, ſich durch
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Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/377>, abgerufen am 22.11.2024.
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