Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Der grossen und seligen
meinschaft gelocket, damit er dir die allerse-
ligsten Früchte seiner blutigen Liebe mitthei-
len, und in dem Genusse derselben eine
ewige Herrlichkeit bereiten möchte. Du ei-
lest hingegen dem entgegen, der dich mit ewi-
ger Quaal zu peinigen trachtet. Du hörest
den, der dich zu dem Untergange locket.
Du folgest dem, der dich als ein Schlacht-
schaaf zum Tode hinschleppet. Dir war Le-
ben und Seligkeit anerbotten, und du er-
wählest Fluch und Tod, die Früchte von dem
Baum des Lebens sollten dir geschenket wer-
den, und du greifest nach dem Verbannten,
welches ein ewiges Verderben bringet.
Schlage darum in dich betrogene Seele!
mache dich auf verlohrnes Schaaf! kehre
wieder um abtrünnige, verlockte und ver-
irrte Daube! und eile zu dem, bey welchem
die Schaafe Leben, und volles Genügen ha-
ben. Aber du sagest, das kann ich nicht;
ich bin zu weit von meinem Hirten entfer-
net; und vielleicht wird er sich meiner nichts
mehr achten; Ja es ist wahr: weit genug
bist du von ihm gelaufen, und seine Stimme
ist in dir wegen der grossen Entferniß von
ihm, nun sehr schwach, und vielleicht in
deinen Ohren schier gar verschwunden, aber
sein Herze, seine nach deiner Errettung be-
kümmerte Eingeweide brausen in ihm gegen
dich noch zärtlich. Je unachtsamer du bey

aller

Der groſſen und ſeligen
meinſchaft gelocket, damit er dir die allerſe-
ligſten Fruͤchte ſeiner blutigen Liebe mitthei-
len, und in dem Genuſſe derſelben eine
ewige Herrlichkeit bereiten moͤchte. Du ei-
leſt hingegen dem entgegen, der dich mit ewi-
ger Quaal zu peinigen trachtet. Du hoͤreſt
den, der dich zu dem Untergange locket.
Du folgeſt dem, der dich als ein Schlacht-
ſchaaf zum Tode hinſchleppet. Dir war Le-
ben und Seligkeit anerbotten, und du er-
waͤhleſt Fluch und Tod, die Fruͤchte von dem
Baum des Lebens ſollten dir geſchenket wer-
den, und du greifeſt nach dem Verbannten,
welches ein ewiges Verderben bringet.
Schlage darum in dich betrogene Seele!
mache dich auf verlohrnes Schaaf! kehre
wieder um abtruͤnnige, verlockte und ver-
irrte Daube! und eile zu dem, bey welchem
die Schaafe Leben, und volles Genuͤgen ha-
ben. Aber du ſageſt, das kann ich nicht;
ich bin zu weit von meinem Hirten entfer-
net; und vielleicht wird er ſich meiner nichts
mehr achten; Ja es iſt wahr: weit genug
biſt du von ihm gelaufen, und ſeine Stimme
iſt in dir wegen der groſſen Entferniß von
ihm, nun ſehr ſchwach, und vielleicht in
deinen Ohren ſchier gar verſchwunden, aber
ſein Herze, ſeine nach deiner Errettung be-
kuͤmmerte Eingeweide brauſen in ihm gegen
dich noch zaͤrtlich. Je unachtſamer du bey

aller
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0286" n="234"/><fw place="top" type="header">Der gro&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;eligen</fw><lb/>
mein&#x017F;chaft gelocket, damit er dir die aller&#x017F;e-<lb/>
lig&#x017F;ten Fru&#x0364;chte &#x017F;einer blutigen Liebe mitthei-<lb/>
len, und in dem Genu&#x017F;&#x017F;e der&#x017F;elben eine<lb/>
ewige Herrlichkeit bereiten mo&#x0364;chte. Du ei-<lb/>
le&#x017F;t hingegen dem entgegen, der dich mit ewi-<lb/>
ger Quaal zu peinigen trachtet. Du ho&#x0364;re&#x017F;t<lb/>
den, der dich zu dem Untergange locket.<lb/>
Du folge&#x017F;t dem, der dich als ein Schlacht-<lb/>
&#x017F;chaaf zum Tode hin&#x017F;chleppet. Dir war Le-<lb/>
ben und Seligkeit anerbotten, und du er-<lb/>
wa&#x0364;hle&#x017F;t Fluch und Tod, die Fru&#x0364;chte von dem<lb/>
Baum des Lebens &#x017F;ollten dir ge&#x017F;chenket wer-<lb/>
den, und du greife&#x017F;t nach dem Verbannten,<lb/>
welches ein ewiges Verderben bringet.<lb/>
Schlage darum in dich betrogene Seele!<lb/>
mache dich auf verlohrnes Schaaf! kehre<lb/>
wieder um abtru&#x0364;nnige, verlockte und ver-<lb/>
irrte Daube! und eile zu dem, bey welchem<lb/>
die Schaafe Leben, und volles Genu&#x0364;gen ha-<lb/>
ben. Aber du &#x017F;age&#x017F;t, das kann ich nicht;<lb/>
ich bin zu weit von meinem Hirten entfer-<lb/>
net; und vielleicht wird er &#x017F;ich meiner nichts<lb/>
mehr achten; Ja es i&#x017F;t wahr: weit genug<lb/>
bi&#x017F;t du von ihm gelaufen, und &#x017F;eine Stimme<lb/>
i&#x017F;t in dir wegen der gro&#x017F;&#x017F;en Entferniß von<lb/>
ihm, nun &#x017F;ehr &#x017F;chwach, und vielleicht in<lb/>
deinen Ohren &#x017F;chier gar ver&#x017F;chwunden, aber<lb/>
&#x017F;ein Herze, &#x017F;eine nach deiner Errettung be-<lb/>
ku&#x0364;mmerte Eingeweide brau&#x017F;en in ihm gegen<lb/>
dich noch za&#x0364;rtlich. Je unacht&#x017F;amer du bey<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aller</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0286] Der groſſen und ſeligen meinſchaft gelocket, damit er dir die allerſe- ligſten Fruͤchte ſeiner blutigen Liebe mitthei- len, und in dem Genuſſe derſelben eine ewige Herrlichkeit bereiten moͤchte. Du ei- leſt hingegen dem entgegen, der dich mit ewi- ger Quaal zu peinigen trachtet. Du hoͤreſt den, der dich zu dem Untergange locket. Du folgeſt dem, der dich als ein Schlacht- ſchaaf zum Tode hinſchleppet. Dir war Le- ben und Seligkeit anerbotten, und du er- waͤhleſt Fluch und Tod, die Fruͤchte von dem Baum des Lebens ſollten dir geſchenket wer- den, und du greifeſt nach dem Verbannten, welches ein ewiges Verderben bringet. Schlage darum in dich betrogene Seele! mache dich auf verlohrnes Schaaf! kehre wieder um abtruͤnnige, verlockte und ver- irrte Daube! und eile zu dem, bey welchem die Schaafe Leben, und volles Genuͤgen ha- ben. Aber du ſageſt, das kann ich nicht; ich bin zu weit von meinem Hirten entfer- net; und vielleicht wird er ſich meiner nichts mehr achten; Ja es iſt wahr: weit genug biſt du von ihm gelaufen, und ſeine Stimme iſt in dir wegen der groſſen Entferniß von ihm, nun ſehr ſchwach, und vielleicht in deinen Ohren ſchier gar verſchwunden, aber ſein Herze, ſeine nach deiner Errettung be- kuͤmmerte Eingeweide brauſen in ihm gegen dich noch zaͤrtlich. Je unachtſamer du bey aller

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/286
Zitationshilfe: Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/286>, abgerufen am 22.11.2024.