Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. III. Stück. kein rechter Ernst, keine wahre Redlichkeit,kein Ringen und Kämpfen, kein Gewalt- anthun und Eindringen ins Himmelreich, kein Drängen zu denen Wunden und zu dem Blute des Versöhners, daher wurden die blutrothe Sünden nicht weiß und helle gemacht, und die befleckte Seele bliebe un- gereiniget. Ja es gienge eine kurze Zeit, so rissen die eiternde Geschwüre wieder auf, der böse und ungeheilete Schade frasse wie- der um sich, es äusserten sich die böse Tücke des Herzens wieder, sie verschlange wieder, was sie zuvor ausgespien, ja es kame nach und nach so weit, daß auch das äussere Gute ver- schwande, die Gelegenheiten, die sie zum Heyl der Seele hätte geniessen können, wiche sie aus, und belohnte endlich gar diejenige, die so herzlich für ihre Seligkeit sich bemühet, mit dem häßlichsten und schwärzesten Undank. So ungern verliehrt der Feind eine See- ziehen, P 2
Thaten der Gnade. III. Stuͤck. kein rechter Ernſt, keine wahre Redlichkeit,kein Ringen und Kaͤmpfen, kein Gewalt- anthun und Eindringen ins Himmelreich, kein Draͤngen zu denen Wunden und zu dem Blute des Verſoͤhners, daher wurden die blutrothe Suͤnden nicht weiß und helle gemacht, und die befleckte Seele bliebe un- gereiniget. Ja es gienge eine kurze Zeit, ſo riſſen die eiternde Geſchwuͤre wieder auf, der boͤſe und ungeheilete Schade fraſſe wie- der um ſich, es aͤuſſerten ſich die boͤſe Tuͤcke des Herzens wieder, ſie verſchlange wieder, was ſie zuvor ausgeſpien, ja es kame nach und nach ſo weit, daß auch das aͤuſſere Gute ver- ſchwande, die Gelegenheiten, die ſie zum Heyl der Seele haͤtte genieſſen koͤnnen, wiche ſie aus, und belohnte endlich gar diejenige, die ſo herzlich fuͤr ihre Seligkeit ſich bemuͤhet, mit dem haͤßlichſten und ſchwaͤrzeſten Undank. So ungern verliehrt der Feind eine See- ziehen, P 2
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Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
kein rechter Ernſt, keine wahre Redlichkeit,
kein Ringen und Kaͤmpfen, kein Gewalt-
anthun und Eindringen ins Himmelreich,
kein Draͤngen zu denen Wunden und zu
dem Blute des Verſoͤhners, daher wurden
die blutrothe Suͤnden nicht weiß und helle
gemacht, und die befleckte Seele bliebe un-
gereiniget. Ja es gienge eine kurze Zeit,
ſo riſſen die eiternde Geſchwuͤre wieder auf,
der boͤſe und ungeheilete Schade fraſſe wie-
der um ſich, es aͤuſſerten ſich die boͤſe Tuͤcke
des Herzens wieder, ſie verſchlange wieder,
was ſie zuvor ausgeſpien, ja es kame nach und
nach ſo weit, daß auch das aͤuſſere Gute ver-
ſchwande, die Gelegenheiten, die ſie zum Heyl
der Seele haͤtte genieſſen koͤnnen, wiche ſie
aus, und belohnte endlich gar diejenige, die ſo
herzlich fuͤr ihre Seligkeit ſich bemuͤhet, mit
dem haͤßlichſten und ſchwaͤrzeſten Undank.
So ungern verliehrt der Feind eine See-
le, in deren er nach ſeinem Gefallen bis hie-
her ſchalten und walten, und welche er nach
ſeinem Willen unter ſeiner Gewalt und
Herrſchaft behalten koͤnnen. Da wendet
er die aͤuſſerſte Macht, Liſt und Bosheit
an, der armen Seele das Ziel zu verrucken,
ihr den Weg des Lebens zu verzaͤunen, und
die Arbeit des heiligen Geiſtes zu einer
ſchweren und unertraͤglichen Laſt zu machen,
ſelbige alſo wieder nach und nach zuruͤck zu
ziehen,
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Zitationshilfe: | Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/279>, abgerufen am 18.07.2024. |