lassen. Aber damit wird das Uebel nur ärger, denn entweder kommen härtere Schlä- ge, schärfere Züchtigungen und schwerere Proben, die wieder aufwecken müssen, blei- ben aber diese aussen, so bringt die Untreue und Sicherheit endlich in den Tod.
Diese Aufdeckung der Sünde, das Ge- sichte von der Gefahr der Seele, und das Gefühl der stetswährenden Unruhe in dem Gewissen, ließ unsere nun selige Person auf ihren Hefen nicht stille sitzen, denn wo ein- mahl die Last der Sünden aufs Herze fäl- let, da zeigt sich etwas treibendes und zie- hendes, man kan sich mit denen Erfindun- gen des bösen Herzens nicht mehr behelfen, das Geschrey des Gewissens lässet sich von der Stimme des Fleisches und Blutes nicht mehr abtreiben, wo man sich in der Sün- dennoth und Seelenangst siehet, da kan man sich nicht mehr so leicht verstecken, das Herze muß gelähret werden, man muß für das Gewissen Rath und Hülfe suchen. Sie gieng dessetwegen zu dem Prediger, und entdeckte ihm ihren ganzen Seelenzustand, offen- bahrte ihm ungescheut ihren bishieher in der Finsterniß und Leichtsinnigkeit geführ- ten Lebenswandel, bekannte ihm ihre Sün- den, und zwar solche besondere Mißhand- lungen, die ihr niemand hätte vorwerfen können, klagte über alles sich ernstlich an,
be-
O 5
Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
laſſen. Aber damit wird das Uebel nur aͤrger, denn entweder kommen haͤrtere Schlaͤ- ge, ſchaͤrfere Zuͤchtigungen und ſchwerere Proben, die wieder aufwecken muͤſſen, blei- ben aber dieſe auſſen, ſo bringt die Untreue und Sicherheit endlich in den Tod.
Dieſe Aufdeckung der Suͤnde, das Ge- ſichte von der Gefahr der Seele, und das Gefuͤhl der ſtetswaͤhrenden Unruhe in dem Gewiſſen, ließ unſere nun ſelige Perſon auf ihren Hefen nicht ſtille ſitzen, denn wo ein- mahl die Laſt der Suͤnden aufs Herze faͤl- let, da zeigt ſich etwas treibendes und zie- hendes, man kan ſich mit denen Erfindun- gen des boͤſen Herzens nicht mehr behelfen, das Geſchrey des Gewiſſens laͤſſet ſich von der Stimme des Fleiſches und Blutes nicht mehr abtreiben, wo man ſich in der Suͤn- dennoth und Seelenangſt ſiehet, da kan man ſich nicht mehr ſo leicht verſtecken, das Herze muß gelaͤhret werden, man muß fuͤr das Gewiſſen Rath und Huͤlfe ſuchen. Sie gieng deſſetwegen zu dem Prediger, und entdeckte ihm ihren ganzen Seelenzuſtand, offen- bahrte ihm ungeſcheut ihren bishieher in der Finſterniß und Leichtſinnigkeit gefuͤhr- ten Lebenswandel, bekannte ihm ihre Suͤn- den, und zwar ſolche beſondere Mißhand- lungen, die ihr niemand haͤtte vorwerfen koͤnnen, klagte uͤber alles ſich ernſtlich an,
be-
O 5
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0269"n="217"/><fwplace="top"type="header">Thaten der Gnade. <hirendition="#aq">III</hi>. Stuͤck.</fw><lb/>
laſſen. Aber damit wird das Uebel nur<lb/>
aͤrger, denn entweder kommen haͤrtere Schlaͤ-<lb/>
ge, ſchaͤrfere Zuͤchtigungen und ſchwerere<lb/>
Proben, die wieder aufwecken muͤſſen, blei-<lb/>
ben aber dieſe auſſen, ſo bringt die Untreue<lb/>
und Sicherheit endlich in den Tod.</p><lb/><p>Dieſe Aufdeckung der Suͤnde, das Ge-<lb/>ſichte von der Gefahr der Seele, und das<lb/>
Gefuͤhl der ſtetswaͤhrenden Unruhe in dem<lb/>
Gewiſſen, ließ unſere nun ſelige Perſon auf<lb/>
ihren Hefen nicht ſtille ſitzen, denn wo ein-<lb/>
mahl die Laſt der Suͤnden aufs Herze faͤl-<lb/>
let, da zeigt ſich etwas treibendes und zie-<lb/>
hendes, man kan ſich mit denen Erfindun-<lb/>
gen des boͤſen Herzens nicht mehr behelfen,<lb/>
das Geſchrey des Gewiſſens laͤſſet ſich von<lb/>
der Stimme des Fleiſches und Blutes nicht<lb/>
mehr abtreiben, wo man ſich in der Suͤn-<lb/>
dennoth und Seelenangſt ſiehet, da kan man<lb/>ſich nicht mehr ſo leicht verſtecken, das Herze<lb/>
muß gelaͤhret werden, man muß fuͤr das<lb/>
Gewiſſen Rath und Huͤlfe ſuchen. Sie gieng<lb/>
deſſetwegen zu dem Prediger, und entdeckte<lb/>
ihm ihren ganzen Seelenzuſtand, offen-<lb/>
bahrte ihm ungeſcheut ihren bishieher in<lb/>
der Finſterniß und Leichtſinnigkeit gefuͤhr-<lb/>
ten Lebenswandel, bekannte ihm ihre Suͤn-<lb/>
den, und zwar ſolche beſondere Mißhand-<lb/>
lungen, die ihr niemand haͤtte vorwerfen<lb/>
koͤnnen, klagte uͤber alles ſich ernſtlich an,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">be-</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[217/0269]
Thaten der Gnade. III. Stuͤck.
laſſen. Aber damit wird das Uebel nur
aͤrger, denn entweder kommen haͤrtere Schlaͤ-
ge, ſchaͤrfere Zuͤchtigungen und ſchwerere
Proben, die wieder aufwecken muͤſſen, blei-
ben aber dieſe auſſen, ſo bringt die Untreue
und Sicherheit endlich in den Tod.
Dieſe Aufdeckung der Suͤnde, das Ge-
ſichte von der Gefahr der Seele, und das
Gefuͤhl der ſtetswaͤhrenden Unruhe in dem
Gewiſſen, ließ unſere nun ſelige Perſon auf
ihren Hefen nicht ſtille ſitzen, denn wo ein-
mahl die Laſt der Suͤnden aufs Herze faͤl-
let, da zeigt ſich etwas treibendes und zie-
hendes, man kan ſich mit denen Erfindun-
gen des boͤſen Herzens nicht mehr behelfen,
das Geſchrey des Gewiſſens laͤſſet ſich von
der Stimme des Fleiſches und Blutes nicht
mehr abtreiben, wo man ſich in der Suͤn-
dennoth und Seelenangſt ſiehet, da kan man
ſich nicht mehr ſo leicht verſtecken, das Herze
muß gelaͤhret werden, man muß fuͤr das
Gewiſſen Rath und Huͤlfe ſuchen. Sie gieng
deſſetwegen zu dem Prediger, und entdeckte
ihm ihren ganzen Seelenzuſtand, offen-
bahrte ihm ungeſcheut ihren bishieher in
der Finſterniß und Leichtſinnigkeit gefuͤhr-
ten Lebenswandel, bekannte ihm ihre Suͤn-
den, und zwar ſolche beſondere Mißhand-
lungen, die ihr niemand haͤtte vorwerfen
koͤnnen, klagte uͤber alles ſich ernſtlich an,
be-
O 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/269>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.