Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. II. Stück. es sind da eröfnete und fliessende Quellen,daraus Wein und Oel für alle, auch ver- zweifelt böse und unheilbar scheinende Wun- den strömen. Du wirst gewiß bey diesen Quellen keine Verschmachtete finden, und bey diesem Helfer wird, ja kan deine Seele unmöglich verderben. Sünder (nämlich bußfertige und Gnaden-hungerige Sünder) schicken sich ja wohl, gehören auch ganz ei- gentlich zu dem Sündentilger, Kranke und Verwundete zu dem Arzt, und verlohrne Schaafe zu dem Hirten. Wie thorrecht wären die Kranke zu denen Zeiten des Wan- dels JEsu auf Erden gewesen, wenn sie hät- ten warten wollen, den Heyland um die Heilung ihres Schadens zu beten, bis sie sich selbsten geholfen hätten, eben darum, wei- len sie sich so tödtlich und kläglich fühlten, mußten sie zu JEsu gehen. O wie bald hät- ten wir unter der Gnade viel Weg gemacht, wenn wir ohne Umschweif alsobald zu JE- su gehen, und seine Gerechtigkeit ergreifen lernten. Nachdeme nun unsere Selige eine gerau- nach K 2
Thaten der Gnade. II. Stuͤck. es ſind da eroͤfnete und flieſſende Quellen,daraus Wein und Oel fuͤr alle, auch ver- zweifelt boͤſe und unheilbar ſcheinende Wun- den ſtroͤmen. Du wirſt gewiß bey dieſen Quellen keine Verſchmachtete finden, und bey dieſem Helfer wird, ja kan deine Seele unmoͤglich verderben. Suͤnder (naͤmlich bußfertige und Gnaden-hungerige Suͤnder) ſchicken ſich ja wohl, gehoͤren auch ganz ei- gentlich zu dem Suͤndentilger, Kranke und Verwundete zu dem Arzt, und verlohrne Schaafe zu dem Hirten. Wie thorrecht waͤren die Kranke zu denen Zeiten des Wan- dels JEſu auf Erden geweſen, wenn ſie haͤt- ten warten wollen, den Heyland um die Heilung ihres Schadens zu beten, bis ſie ſich ſelbſten geholfen haͤtten, eben darum, wei- len ſie ſich ſo toͤdtlich und klaͤglich fuͤhlten, mußten ſie zu JEſu gehen. O wie bald haͤt- ten wir unter der Gnade viel Weg gemacht, wenn wir ohne Umſchweif alſobald zu JE- ſu gehen, und ſeine Gerechtigkeit ergreifen lernten. Nachdeme nun unſere Selige eine gerau- nach K 2
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Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
es ſind da eroͤfnete und flieſſende Quellen,
daraus Wein und Oel fuͤr alle, auch ver-
zweifelt boͤſe und unheilbar ſcheinende Wun-
den ſtroͤmen. Du wirſt gewiß bey dieſen
Quellen keine Verſchmachtete finden, und
bey dieſem Helfer wird, ja kan deine Seele
unmoͤglich verderben. Suͤnder (naͤmlich
bußfertige und Gnaden-hungerige Suͤnder)
ſchicken ſich ja wohl, gehoͤren auch ganz ei-
gentlich zu dem Suͤndentilger, Kranke und
Verwundete zu dem Arzt, und verlohrne
Schaafe zu dem Hirten. Wie thorrecht
waͤren die Kranke zu denen Zeiten des Wan-
dels JEſu auf Erden geweſen, wenn ſie haͤt-
ten warten wollen, den Heyland um die
Heilung ihres Schadens zu beten, bis ſie ſich
ſelbſten geholfen haͤtten, eben darum, wei-
len ſie ſich ſo toͤdtlich und klaͤglich fuͤhlten,
mußten ſie zu JEſu gehen. O wie bald haͤt-
ten wir unter der Gnade viel Weg gemacht,
wenn wir ohne Umſchweif alſobald zu JE-
ſu gehen, und ſeine Gerechtigkeit ergreifen
lernten.
Nachdeme nun unſere Selige eine gerau-
me Zeit in ihren geſetzlichen Wegen fortgien-
ge, dabey aber ein redliches Herz zeigte, und
nicht nur von dem Fluch, ſondern der Suͤnde
ſelber ſo gerne moͤchte befreyet ſeyn, und darfuͤr
ſo ernſtlich und beſtaͤndig kaͤmpfte, ſo gien-
gen die Lichtesſtrahlen des heiligen Geiſtes
nach
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Zitationshilfe: | Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_wiedergebohrne_1759/199>, abgerufen am 16.07.2024. |