Meyer, Johannes: Die grossen und seligen Thaten der Gnade. Zürich, 1759.Thaten der Gnade. II. Stück. in tausend bösen Gedanken und Lüsten, inallerhand sündlichen Gemüthsbewegungen, Worten und Werken so gröblich beleidiget, wurden ihr wie in einer Schlachtordnung vor Augen gestellt, und kamen ihr vor, wie der Sand am Meer. Alle eigene Gerech- tigkeit, alle äusserlich gethane (so genannte gute) Werke sahe sie mit unendlich vielen Sünden beflecket, und so wurde sie durch die Aufdeckung ihrer Sünden und ihres Elendes in den tiefsten Staub ihres eigenen Nichts, und in die Schlammgrube ihres Verderbens begraben und verdecket. Alle ihre Verrichtungen wurden ihr zur Sünde, und wo sie stand und gieng, fand sie Ankla- gungen über ihre Sünden. Ja es kam endlich so weit, daß die ganze Natur sich gegen sie wafnete, und ein jedes Creatürlein mußte sie wegen ihren Sünden bestrafen, und ihrem aufgebrachten Gewissen ein schar- fer Bußprediger werden. Wir wollen ei- nige Exempel aus ihrem Munde hören. Sie war einmahl in einem Frühjahre auf einer Wiese oder Matte, um selbige von allem demjenigen zu säubern und zu reini- gen, was etwan den Winter durch von Holz, Schlamm und Steinen darauf ge- kommen war, das gab ihr einen tiefen Ein- druck von dem kläglichen Zustande ihres Herzens, und wie dasselbe in dem langen Win- J 2
Thaten der Gnade. II. Stuͤck. in tauſend boͤſen Gedanken und Luͤſten, inallerhand ſuͤndlichen Gemuͤthsbewegungen, Worten und Werken ſo groͤblich beleidiget, wurden ihr wie in einer Schlachtordnung vor Augen geſtellt, und kamen ihr vor, wie der Sand am Meer. Alle eigene Gerech- tigkeit, alle aͤuſſerlich gethane (ſo genannte gute) Werke ſahe ſie mit unendlich vielen Suͤnden beflecket, und ſo wurde ſie durch die Aufdeckung ihrer Suͤnden und ihres Elendes in den tiefſten Staub ihres eigenen Nichts, und in die Schlammgrube ihres Verderbens begraben und verdecket. Alle ihre Verrichtungen wurden ihr zur Suͤnde, und wo ſie ſtand und gieng, fand ſie Ankla- gungen uͤber ihre Suͤnden. Ja es kam endlich ſo weit, daß die ganze Natur ſich gegen ſie wafnete, und ein jedes Creatuͤrlein mußte ſie wegen ihren Suͤnden beſtrafen, und ihrem aufgebrachten Gewiſſen ein ſchar- fer Bußprediger werden. Wir wollen ei- nige Exempel aus ihrem Munde hoͤren. Sie war einmahl in einem Fruͤhjahre auf einer Wieſe oder Matte, um ſelbige von allem demjenigen zu ſaͤubern und zu reini- gen, was etwan den Winter durch von Holz, Schlamm und Steinen darauf ge- kommen war, das gab ihr einen tiefen Ein- druck von dem klaͤglichen Zuſtande ihres Herzens, und wie daſſelbe in dem langen Win- J 2
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Thaten der Gnade. II. Stuͤck.
in tauſend boͤſen Gedanken und Luͤſten, in
allerhand ſuͤndlichen Gemuͤthsbewegungen,
Worten und Werken ſo groͤblich beleidiget,
wurden ihr wie in einer Schlachtordnung
vor Augen geſtellt, und kamen ihr vor, wie
der Sand am Meer. Alle eigene Gerech-
tigkeit, alle aͤuſſerlich gethane (ſo genannte
gute) Werke ſahe ſie mit unendlich vielen
Suͤnden beflecket, und ſo wurde ſie durch
die Aufdeckung ihrer Suͤnden und ihres
Elendes in den tiefſten Staub ihres eigenen
Nichts, und in die Schlammgrube ihres
Verderbens begraben und verdecket. Alle
ihre Verrichtungen wurden ihr zur Suͤnde,
und wo ſie ſtand und gieng, fand ſie Ankla-
gungen uͤber ihre Suͤnden. Ja es kam
endlich ſo weit, daß die ganze Natur ſich
gegen ſie wafnete, und ein jedes Creatuͤrlein
mußte ſie wegen ihren Suͤnden beſtrafen,
und ihrem aufgebrachten Gewiſſen ein ſchar-
fer Bußprediger werden. Wir wollen ei-
nige Exempel aus ihrem Munde hoͤren.
Sie war einmahl in einem Fruͤhjahre auf
einer Wieſe oder Matte, um ſelbige von
allem demjenigen zu ſaͤubern und zu reini-
gen, was etwan den Winter durch von
Holz, Schlamm und Steinen darauf ge-
kommen war, das gab ihr einen tiefen Ein-
druck von dem klaͤglichen Zuſtande ihres
Herzens, und wie daſſelbe in dem langen
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