Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.Fünftes Kapitel. Herr Waser erwachte vor Tagesanbruch. Als er Fünftes Kapitel. Herr Waſer erwachte vor Tagesanbruch. Als er <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0076"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b #fr">Fünftes Kapitel.</hi><lb/> </head> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Herr Waſer erwachte vor Tagesanbruch. Als er<lb/> mit Mühe den Fenſterladen aufſtieß, der von dem<lb/> üppigen Geäſte und Blätterwerke eines Feigenbaumes<lb/> geſperrt und dicht überflochten war, geſchah es im<lb/> Widerſtreite zweifelnder Gedanken. Er war mit dem<lb/> Vorſatze entſchlafen, ſeinen gewaltthätigen Freund und<lb/> das allzu abenteuerliche Veltlin ohne Zögern und auf<lb/> dem nächſten Wege über Chiavenna zu verlaſſen. Ein<lb/> erquickender Schlaf jedoch hatte die geſtrigen Eindrücke<lb/> gemildert und ſeinen Entſchluß wankend gemacht. Die<lb/> Liebe zu ſeinem merkwürdigen Jugendfreunde gewann<lb/> die Oberhand. War es denn dieſer heftigen und, wie<lb/> er ſich ſagte, nicht durch ſtädtiſche Bildung veredelten<lb/> Natur ſtark zu verargen, wenn ſie losbrach, wo Heimat<lb/> und Leben gefährdet war? Und kannte er nicht von<lb/> früher her Jürgs jähen Stimmungswechſel, ſeine wilden,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Fünftes Kapitel.
Herr Waſer erwachte vor Tagesanbruch. Als er
mit Mühe den Fenſterladen aufſtieß, der von dem
üppigen Geäſte und Blätterwerke eines Feigenbaumes
geſperrt und dicht überflochten war, geſchah es im
Widerſtreite zweifelnder Gedanken. Er war mit dem
Vorſatze entſchlafen, ſeinen gewaltthätigen Freund und
das allzu abenteuerliche Veltlin ohne Zögern und auf
dem nächſten Wege über Chiavenna zu verlaſſen. Ein
erquickender Schlaf jedoch hatte die geſtrigen Eindrücke
gemildert und ſeinen Entſchluß wankend gemacht. Die
Liebe zu ſeinem merkwürdigen Jugendfreunde gewann
die Oberhand. War es denn dieſer heftigen und, wie
er ſich ſagte, nicht durch ſtädtiſche Bildung veredelten
Natur ſtark zu verargen, wenn ſie losbrach, wo Heimat
und Leben gefährdet war? Und kannte er nicht von
früher her Jürgs jähen Stimmungswechſel, ſeine wilden,
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/76>, abgerufen am 16.02.2025. |