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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Wunden blutete, schlug mit wuchtiger Faust seinen Leuch¬
ter blindlings auf das graue Haupt. Lautlos sank der
alte Knecht auf Lucretias Füße. Sie neigte sich zu
ihm nieder und er gab ihr mit brechendem Blicke das
blutige Beil in die Hand. Es war die Axt, mit der
einst Pompejus Planta erschlagen worden war. In Ver¬
zweiflung richtete sie sich auf, sah Jürg schwanken, von
gedungenen Mördern umstellt, von feigen Waffen umzuckt
und verwundet, -- jetzt, in plötzlichem Entschluß, hob
sie mit beiden Händen die ihr vererbte Waffe und traf
mit ganzer Kraft das theure Haupt. Jürgs Arme san¬
ken, er blickte die hoch vor ihm Stehende mit voller
Liebe an, ein düsterer Triumph flog über seine Züge,
dann stürzte er schwer zusammen.

Als Lucretia ihrer Sinne wieder mächtig wurde,
kniete sie neben der Leiche, das Haupt des Erschlagenen
lag in ihrem Schooß. Das Gemach war leer, neben
ihr aber stand Pancraz und legte die Hand auf ihre
Schulter, während unter der Thüre Fausch dem Bürger¬
meister Waser das Ereigniß jammernd erzählte.

Willig wie ein Kind folgte sie dem Mönch, der sie
von der Unglücksstätte wegführte. Waser aber über
nahm die Leichenwache.

Nicht lange blieb er allein. Als das erste Ent¬
setzen vorüber war und die Verwirrung der Gemüther

Wunden blutete, ſchlug mit wuchtiger Fauſt ſeinen Leuch¬
ter blindlings auf das graue Haupt. Lautlos ſank der
alte Knecht auf Lucretias Füße. Sie neigte ſich zu
ihm nieder und er gab ihr mit brechendem Blicke das
blutige Beil in die Hand. Es war die Axt, mit der
einſt Pompejus Planta erſchlagen worden war. In Ver¬
zweiflung richtete ſie ſich auf, ſah Jürg ſchwanken, von
gedungenen Mördern umſtellt, von feigen Waffen umzuckt
und verwundet, — jetzt, in plötzlichem Entſchluß, hob
ſie mit beiden Händen die ihr vererbte Waffe und traf
mit ganzer Kraft das theure Haupt. Jürgs Arme ſan¬
ken, er blickte die hoch vor ihm Stehende mit voller
Liebe an, ein düſterer Triumph flog über ſeine Züge,
dann ſtürzte er ſchwer zuſammen.

Als Lucretia ihrer Sinne wieder mächtig wurde,
kniete ſie neben der Leiche, das Haupt des Erſchlagenen
lag in ihrem Schooß. Das Gemach war leer, neben
ihr aber ſtand Pancraz und legte die Hand auf ihre
Schulter, während unter der Thüre Fauſch dem Bürger¬
meiſter Waſer das Ereigniß jammernd erzählte.

Willig wie ein Kind folgte ſie dem Mönch, der ſie
von der Unglücksſtätte wegführte. Waſer aber über
nahm die Leichenwache.

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[406/0416] Wunden blutete, ſchlug mit wuchtiger Fauſt ſeinen Leuch¬ ter blindlings auf das graue Haupt. Lautlos ſank der alte Knecht auf Lucretias Füße. Sie neigte ſich zu ihm nieder und er gab ihr mit brechendem Blicke das blutige Beil in die Hand. Es war die Axt, mit der einſt Pompejus Planta erſchlagen worden war. In Ver¬ zweiflung richtete ſie ſich auf, ſah Jürg ſchwanken, von gedungenen Mördern umſtellt, von feigen Waffen umzuckt und verwundet, — jetzt, in plötzlichem Entſchluß, hob ſie mit beiden Händen die ihr vererbte Waffe und traf mit ganzer Kraft das theure Haupt. Jürgs Arme ſan¬ ken, er blickte die hoch vor ihm Stehende mit voller Liebe an, ein düſterer Triumph flog über ſeine Züge, dann ſtürzte er ſchwer zuſammen. Als Lucretia ihrer Sinne wieder mächtig wurde, kniete ſie neben der Leiche, das Haupt des Erſchlagenen lag in ihrem Schooß. Das Gemach war leer, neben ihr aber ſtand Pancraz und legte die Hand auf ihre Schulter, während unter der Thüre Fauſch dem Bürger¬ meiſter Waſer das Ereigniß jammernd erzählte. Willig wie ein Kind folgte ſie dem Mönch, der ſie von der Unglücksſtätte wegführte. Waſer aber über nahm die Leichenwache. Nicht lange blieb er allein. Als das erſte Ent¬ ſetzen vorüber war und die Verwirrung der Gemüther

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/416>, abgerufen am 24.11.2024.