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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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willig die Rechte. Diese aber schlug die beiden Tatzen
um die gebotene Hand und packte sie mit eiserner
Mannesgewalt. Zugleich zog sich der Larvenkreis eng
um den Festgehaltenen zusammen und überall wurden
Waffen bloß.

Lucretia drängte sich fest an die linke Seite des
Umstellten, wie um ihn zu decken. Sie hatte ihm keine
Waffe zu reichen. Wieder traf die Stimme Rudolfs
ihr Ohr. "Dies, Lucretia, für die Ehre der Planta,"
flüsterte er dicht hinter ihr und sie sah, mit halbge¬
wandtem Haupte, wie seine feine spanische Klinge vor¬
sichtig eine gefährliche Stelle zwischen den Schulter¬
blättern Georgs suchte, der eben mit der freien Linken
einen schweren ehernen Leuchter auf dem Schenktische
erreicht hatte, und, dessen gewichtigen Fuß gegen die
Angreifer schwingend, die von vorn fallenden Hiebe
parirte.

Da schmetterte ein Axtschlag neben ihr nieder.
Sie erblickte ihren treuen Lucas, ohne Maske und bar¬
haupt, der von hinten vordringend, ein altes Beil zum
zweiten Mal auf Rudolfs bleiches Haupt fallen ließ
und ihn anschrie: "Weg, Schurke! Das ist nicht Dei¬
nes Amtes." Dann warf er den Sterbenden auf die
Seite, drückte Lucretia weg und stand mit erhobener
Axt vor Jenatsch. Der Starke, der schon aus vielen

willig die Rechte. Dieſe aber ſchlug die beiden Tatzen
um die gebotene Hand und packte ſie mit eiſerner
Mannesgewalt. Zugleich zog ſich der Larvenkreis eng
um den Feſtgehaltenen zuſammen und überall wurden
Waffen bloß.

Lucretia drängte ſich feſt an die linke Seite des
Umſtellten, wie um ihn zu decken. Sie hatte ihm keine
Waffe zu reichen. Wieder traf die Stimme Rudolfs
ihr Ohr. „Dies, Lucretia, für die Ehre der Planta,“
flüſterte er dicht hinter ihr und ſie ſah, mit halbge¬
wandtem Haupte, wie ſeine feine ſpaniſche Klinge vor¬
ſichtig eine gefährliche Stelle zwiſchen den Schulter¬
blättern Georgs ſuchte, der eben mit der freien Linken
einen ſchweren ehernen Leuchter auf dem Schenktiſche
erreicht hatte, und, deſſen gewichtigen Fuß gegen die
Angreifer ſchwingend, die von vorn fallenden Hiebe
parirte.

Da ſchmetterte ein Axtſchlag neben ihr nieder.
Sie erblickte ihren treuen Lucas, ohne Maske und bar¬
haupt, der von hinten vordringend, ein altes Beil zum
zweiten Mal auf Rudolfs bleiches Haupt fallen ließ
und ihn anſchrie: „Weg, Schurke! Das iſt nicht Dei¬
nes Amtes.“ Dann warf er den Sterbenden auf die
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[405/0415] willig die Rechte. Dieſe aber ſchlug die beiden Tatzen um die gebotene Hand und packte ſie mit eiſerner Mannesgewalt. Zugleich zog ſich der Larvenkreis eng um den Feſtgehaltenen zuſammen und überall wurden Waffen bloß. Lucretia drängte ſich feſt an die linke Seite des Umſtellten, wie um ihn zu decken. Sie hatte ihm keine Waffe zu reichen. Wieder traf die Stimme Rudolfs ihr Ohr. „Dies, Lucretia, für die Ehre der Planta,“ flüſterte er dicht hinter ihr und ſie ſah, mit halbge¬ wandtem Haupte, wie ſeine feine ſpaniſche Klinge vor¬ ſichtig eine gefährliche Stelle zwiſchen den Schulter¬ blättern Georgs ſuchte, der eben mit der freien Linken einen ſchweren ehernen Leuchter auf dem Schenktiſche erreicht hatte, und, deſſen gewichtigen Fuß gegen die Angreifer ſchwingend, die von vorn fallenden Hiebe parirte. Da ſchmetterte ein Axtſchlag neben ihr nieder. Sie erblickte ihren treuen Lucas, ohne Maske und bar¬ haupt, der von hinten vordringend, ein altes Beil zum zweiten Mal auf Rudolfs bleiches Haupt fallen ließ und ihn anſchrie: „Weg, Schurke! Das iſt nicht Dei¬ nes Amtes.“ Dann warf er den Sterbenden auf die Seite, drückte Lucretia weg und ſtand mit erhobener Axt vor Jenatſch. Der Starke, der ſchon aus vielen

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/415>, abgerufen am 24.11.2024.