setzten Franziskanermönch, dessen von der Capuze be¬ schattetes Augenpaar er forschend auf sich gerichtet fühlte. Eine Maske war das nicht. Der Mönch warf seine regentriefende Capuze zurück und Waser erkannte das nüchterne, geisteskräftige Gesicht des Paters Pancraz und seine klug blitzenden Augen. Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.
"Thun wir uns zusammen, Herr Bürgermeister," sagte der Pater leis aber eindringlich. "Welt und Kirche, Ehrenkette und Kuttenstrick im Bunde werden durch den tollsten Spuck dringen! Ich lese auf Eurem Gesicht, daß Ihr wie ich in Sorge seid um den Obersten. Etwas ist droben vorgefallen. Was sie dort fort¬ schleppten -- ich habe das niederhangende Haupt scharf angesehn -- war der todte oder ohnmächtige Rudolf Planta. Um den ist's kein Schade und an der Fast¬ nacht sind blutige Köpfe nichts besonderes, aber gut ist's doch, wenn wir hinaufkommen!"
Bei diesen Worten schob er den Bürgermeister in eine gesicherte Ecke und stellte sich vor ihn, denn ein paar trunkene Officiere stürzten sich eben, mit den Degen fuchtelnd, in die Menge hinunter.
Der Pater verschwieg seine Hauptsorge -- Lucretia. Er war, durch das Unwetter verspätet, vor einer Stunde
ſetzten Franziskanermönch, deſſen von der Capuze be¬ ſchattetes Augenpaar er forſchend auf ſich gerichtet fühlte. Eine Maske war das nicht. Der Mönch warf ſeine regentriefende Capuze zurück und Waſer erkannte das nüchterne, geiſteskräftige Geſicht des Paters Pancraz und ſeine klug blitzenden Augen. Die beiden Männer ſchüttelten ſich die Hände.
„Thun wir uns zuſammen, Herr Bürgermeiſter,“ ſagte der Pater leis aber eindringlich. „Welt und Kirche, Ehrenkette und Kuttenſtrick im Bunde werden durch den tollſten Spuck dringen! Ich leſe auf Eurem Geſicht, daß Ihr wie ich in Sorge ſeid um den Oberſten. Etwas iſt droben vorgefallen. Was ſie dort fort¬ ſchleppten — ich habe das niederhangende Haupt ſcharf angeſehn — war der todte oder ohnmächtige Rudolf Planta. Um den iſt's kein Schade und an der Faſt¬ nacht ſind blutige Köpfe nichts beſonderes, aber gut iſt's doch, wenn wir hinaufkommen!“
Bei dieſen Worten ſchob er den Bürgermeiſter in eine geſicherte Ecke und ſtellte ſich vor ihn, denn ein paar trunkene Officiere ſtürzten ſich eben, mit den Degen fuchtelnd, in die Menge hinunter.
Der Pater verſchwieg ſeine Hauptſorge — Lucretia. Er war, durch das Unwetter verſpätet, vor einer Stunde
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0410"n="400"/>ſetzten Franziskanermönch, deſſen von der Capuze be¬<lb/>ſchattetes Augenpaar er forſchend auf ſich gerichtet<lb/>
fühlte. Eine Maske war das nicht. Der Mönch warf<lb/>ſeine regentriefende Capuze zurück und Waſer erkannte<lb/>
das nüchterne, geiſteskräftige Geſicht des Paters Pancraz<lb/>
und ſeine klug blitzenden Augen. Die beiden Männer<lb/>ſchüttelten ſich die Hände.</p><lb/><p>„Thun wir uns zuſammen, Herr Bürgermeiſter,“<lb/>ſagte der Pater leis aber eindringlich. „Welt und<lb/>
Kirche, Ehrenkette und Kuttenſtrick im Bunde werden<lb/>
durch den tollſten Spuck dringen! Ich leſe auf Eurem<lb/>
Geſicht, daß Ihr wie ich in Sorge ſeid um den Oberſten.<lb/>
Etwas iſt droben vorgefallen. Was ſie dort fort¬<lb/>ſchleppten — ich habe das niederhangende Haupt ſcharf<lb/>
angeſehn — war der todte oder ohnmächtige Rudolf<lb/>
Planta. Um den iſt's kein Schade und an der Faſt¬<lb/>
nacht ſind blutige Köpfe nichts beſonderes, aber gut<lb/>
iſt's doch, wenn wir hinaufkommen!“</p><lb/><p>Bei dieſen Worten ſchob er den Bürgermeiſter in<lb/>
eine geſicherte Ecke und ſtellte ſich vor ihn, denn ein<lb/>
paar trunkene Officiere ſtürzten ſich eben, mit den<lb/>
Degen fuchtelnd, in die Menge hinunter.</p><lb/><p>Der Pater verſchwieg ſeine Hauptſorge — Lucretia.<lb/>
Er war, durch das Unwetter verſpätet, vor einer Stunde<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[400/0410]
ſetzten Franziskanermönch, deſſen von der Capuze be¬
ſchattetes Augenpaar er forſchend auf ſich gerichtet
fühlte. Eine Maske war das nicht. Der Mönch warf
ſeine regentriefende Capuze zurück und Waſer erkannte
das nüchterne, geiſteskräftige Geſicht des Paters Pancraz
und ſeine klug blitzenden Augen. Die beiden Männer
ſchüttelten ſich die Hände.
„Thun wir uns zuſammen, Herr Bürgermeiſter,“
ſagte der Pater leis aber eindringlich. „Welt und
Kirche, Ehrenkette und Kuttenſtrick im Bunde werden
durch den tollſten Spuck dringen! Ich leſe auf Eurem
Geſicht, daß Ihr wie ich in Sorge ſeid um den Oberſten.
Etwas iſt droben vorgefallen. Was ſie dort fort¬
ſchleppten — ich habe das niederhangende Haupt ſcharf
angeſehn — war der todte oder ohnmächtige Rudolf
Planta. Um den iſt's kein Schade und an der Faſt¬
nacht ſind blutige Köpfe nichts beſonderes, aber gut
iſt's doch, wenn wir hinaufkommen!“
Bei dieſen Worten ſchob er den Bürgermeiſter in
eine geſicherte Ecke und ſtellte ſich vor ihn, denn ein
paar trunkene Officiere ſtürzten ſich eben, mit den
Degen fuchtelnd, in die Menge hinunter.
Der Pater verſchwieg ſeine Hauptſorge — Lucretia.
Er war, durch das Unwetter verſpätet, vor einer Stunde
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/410>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.