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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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mit den Wappen der drei Bünde an einer Kette um
den zottigen Hals hing.

Sobald Waser die heimgeleitete Amantia einer
alten Dienerin übergeben hatte, eilte er wieder nach
dem Rathhause zurück, ohne nach dem Doctor zu fragen,
dem er es nicht leicht verzieh, daß er das unschuldige
Flugblatt in so feindseliger und hinterlistiger Weise
zur Beleidigung des Obersten ausgebeutet hatte.

Schon von fern sah er vor dem Staatsgebäude
ein unsicher beleuchtetes verworrenes Gewühl und es
ward ihm schwer, bis zur Hauspforte vorzudringen.
Die gleichen Masken, denen er vor einer halben Stunde
auf der Treppe begegnet war, entstürzten jetzt dem
Hausflur in wilder Hast. Inmitten des an die dreißig
Vermummte zählenden Haufens glaubte er plötzlich im
Scheine einer sprühenden Fackel die ungeheure Bärin
zu erblicken, die zerzaust und blutig mit einer über die
Schultern gelegten Puppe oder Leiche davon schritt.
Waser hatte die Thüre erreicht. Er warf einen Blick
auf die Wendeltreppe, sie füllte sich eben wieder mit
taumelnden Gästen, die wirr durcheinander schrieen und
hastig davoneilten.

Oben verstummte mit abgerissenen Tönen die
Musik.

Jetzt gewahrte Waser hart neben sich einen unter¬

mit den Wappen der drei Bünde an einer Kette um
den zottigen Hals hing.

Sobald Waſer die heimgeleitete Amantia einer
alten Dienerin übergeben hatte, eilte er wieder nach
dem Rathhauſe zurück, ohne nach dem Doctor zu fragen,
dem er es nicht leicht verzieh, daß er das unſchuldige
Flugblatt in ſo feindſeliger und hinterliſtiger Weiſe
zur Beleidigung des Oberſten ausgebeutet hatte.

Schon von fern ſah er vor dem Staatsgebäude
ein unſicher beleuchtetes verworrenes Gewühl und es
ward ihm ſchwer, bis zur Hauspforte vorzudringen.
Die gleichen Masken, denen er vor einer halben Stunde
auf der Treppe begegnet war, entſtürzten jetzt dem
Hausflur in wilder Haſt. Inmitten des an die dreißig
Vermummte zählenden Haufens glaubte er plötzlich im
Scheine einer ſprühenden Fackel die ungeheure Bärin
zu erblicken, die zerzauſt und blutig mit einer über die
Schultern gelegten Puppe oder Leiche davon ſchritt.
Waſer hatte die Thüre erreicht. Er warf einen Blick
auf die Wendeltreppe, ſie füllte ſich eben wieder mit
taumelnden Gäſten, die wirr durcheinander ſchrieen und
haſtig davoneilten.

Oben verſtummte mit abgeriſſenen Tönen die
Muſik.

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[399/0409] mit den Wappen der drei Bünde an einer Kette um den zottigen Hals hing. Sobald Waſer die heimgeleitete Amantia einer alten Dienerin übergeben hatte, eilte er wieder nach dem Rathhauſe zurück, ohne nach dem Doctor zu fragen, dem er es nicht leicht verzieh, daß er das unſchuldige Flugblatt in ſo feindſeliger und hinterliſtiger Weiſe zur Beleidigung des Oberſten ausgebeutet hatte. Schon von fern ſah er vor dem Staatsgebäude ein unſicher beleuchtetes verworrenes Gewühl und es ward ihm ſchwer, bis zur Hauspforte vorzudringen. Die gleichen Masken, denen er vor einer halben Stunde auf der Treppe begegnet war, entſtürzten jetzt dem Hausflur in wilder Haſt. Inmitten des an die dreißig Vermummte zählenden Haufens glaubte er plötzlich im Scheine einer ſprühenden Fackel die ungeheure Bärin zu erblicken, die zerzauſt und blutig mit einer über die Schultern gelegten Puppe oder Leiche davon ſchritt. Waſer hatte die Thüre erreicht. Er warf einen Blick auf die Wendeltreppe, ſie füllte ſich eben wieder mit taumelnden Gäſten, die wirr durcheinander ſchrieen und haſtig davoneilten. Oben verſtummte mit abgeriſſenen Tönen die Muſik. Jetzt gewahrte Waſer hart neben ſich einen unter¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/409>, abgerufen am 23.11.2024.