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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Serbelloni wie ein Rasender gedroht hat, er rufe die
Franzosen wieder nach Bünden, wenn Spanien nicht
seinen Willen thue, ja, daß er, um den Beichtvater
seiner hispanischen Majestät zu gewinnen -- denn er
wollte einen andern Einfluß gegen den Serbellonis zu
Madrid in die Wagschale werfen -- seinen ange¬
stammten evangelischen Glauben freventlich abgeschwo¬
ren hat."

"Da sei Gott vor," sagte der Bürgermeister auf¬
richtig erschrocken.

"Und was fängt unser kleines Land mit diesem
jetzt müßig gewordenen und an Thaten noch unge¬
sättigten Menschen an," fuhr Sprecher fort, "der unsern
engen Verhältnissen entwachsen und von seinen bei¬
spiellosen Erfolgen trunken ist bis zum Wahnsinn? --
In den Pausen seiner Unterhandlungen zu Mailand
hat er in unserer Grafschaft Chiavenna, wo er sich
von den drei Bünden zum Lohne seines Verraths an
Herzog Heinrich die ganze Civil- und Militärgewalt
unumschränkt übertragen ließ, gewirthschaftet wie ein
ausschweifender Nero und einen mehr als fürstlichen
Hofhalt geführt. Ich könnte Euch manches davon er¬
zählen, denn ich verzeichne seine Thaten allwöchentlich
mit dem scharfen Griffel der Klio, dessen Spitze ich
übrigens zu niemandes Gunsten abstumpfen würde,

Serbelloni wie ein Raſender gedroht hat, er rufe die
Franzoſen wieder nach Bünden, wenn Spanien nicht
ſeinen Willen thue, ja, daß er, um den Beichtvater
ſeiner hiſpaniſchen Majeſtät zu gewinnen — denn er
wollte einen andern Einfluß gegen den Serbellonis zu
Madrid in die Wagſchale werfen — ſeinen ange¬
ſtammten evangeliſchen Glauben freventlich abgeſchwo¬
ren hat.“

„Da ſei Gott vor,“ ſagte der Bürgermeiſter auf¬
richtig erſchrocken.

„Und was fängt unſer kleines Land mit dieſem
jetzt müßig gewordenen und an Thaten noch unge¬
ſättigten Menſchen an,“ fuhr Sprecher fort, „der unſern
engen Verhältniſſen entwachſen und von ſeinen bei¬
ſpielloſen Erfolgen trunken iſt bis zum Wahnſinn? —
In den Pauſen ſeiner Unterhandlungen zu Mailand
hat er in unſerer Grafſchaft Chiavenna, wo er ſich
von den drei Bünden zum Lohne ſeines Verraths an
Herzog Heinrich die ganze Civil- und Militärgewalt
unumſchränkt übertragen ließ, gewirthſchaftet wie ein
ausſchweifender Nero und einen mehr als fürſtlichen
Hofhalt geführt. Ich könnte Euch manches davon er¬
zählen, denn ich verzeichne ſeine Thaten allwöchentlich
mit dem ſcharfen Griffel der Klio, deſſen Spitze ich
übrigens zu niemandes Gunſten abſtumpfen würde,

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[379/0389] Serbelloni wie ein Raſender gedroht hat, er rufe die Franzoſen wieder nach Bünden, wenn Spanien nicht ſeinen Willen thue, ja, daß er, um den Beichtvater ſeiner hiſpaniſchen Majeſtät zu gewinnen — denn er wollte einen andern Einfluß gegen den Serbellonis zu Madrid in die Wagſchale werfen — ſeinen ange¬ ſtammten evangeliſchen Glauben freventlich abgeſchwo¬ ren hat.“ „Da ſei Gott vor,“ ſagte der Bürgermeiſter auf¬ richtig erſchrocken. „Und was fängt unſer kleines Land mit dieſem jetzt müßig gewordenen und an Thaten noch unge¬ ſättigten Menſchen an,“ fuhr Sprecher fort, „der unſern engen Verhältniſſen entwachſen und von ſeinen bei¬ ſpielloſen Erfolgen trunken iſt bis zum Wahnſinn? — In den Pauſen ſeiner Unterhandlungen zu Mailand hat er in unſerer Grafſchaft Chiavenna, wo er ſich von den drei Bünden zum Lohne ſeines Verraths an Herzog Heinrich die ganze Civil- und Militärgewalt unumſchränkt übertragen ließ, gewirthſchaftet wie ein ausſchweifender Nero und einen mehr als fürſtlichen Hofhalt geführt. Ich könnte Euch manches davon er¬ zählen, denn ich verzeichne ſeine Thaten allwöchentlich mit dem ſcharfen Griffel der Klio, deſſen Spitze ich übrigens zu niemandes Gunſten abſtumpfen würde,

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/389>, abgerufen am 22.11.2024.