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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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der Gebirgsthäler abhold gewesen, und die sie jetzt um
so lieber sahen, als es das letzte Mal war und die
langjährigen Gäste am nächsten Morgen das Land für
immer räumten.

Da sprengte ein Reitertrupp aus dem Thor und
trieb die auf der heißen Straße ziehenden Massen aus¬
einander. Es waren Bündnerofficiere, voran auf einem
schwarzen Hengst ein Reiter in Scharlach, von dessen
Stülphute blaue Federn wehten, der jedem Kinde be¬
kannte Jürg Jenatsch.

Das Volk sah dem mit seinem Reiterbegleite in
den aufgejagten Staubwolken schon wieder Verschwin¬
denden mit Bewunderung und leisem Grauen nach,
denn es ging die Sage, der arme Pfarrerssohn, wel¬
cher der mächtigste und reichste Herr im Lande gewor¬
den, habe seinen Christenglauben abgeschworen und
seine Seele dem leidigen Satan verschrieben, darum
habe er in den unmöglichsten Anschlägen Glück und
Gelingen.

Lauter und näher ertönte die Feldmusik. Das
Volk vertheilte sich auf die grünen Wiesen und Halden
zu beiden Seiten des Weges und bildete eine lebendige
Hecke. Die französische Vorhut zog vorüber, aber die

der Gebirgsthäler abhold geweſen, und die ſie jetzt um
ſo lieber ſahen, als es das letzte Mal war und die
langjährigen Gäſte am nächſten Morgen das Land für
immer räumten.

Da ſprengte ein Reitertrupp aus dem Thor und
trieb die auf der heißen Straße ziehenden Maſſen aus¬
einander. Es waren Bündnerofficiere, voran auf einem
ſchwarzen Hengſt ein Reiter in Scharlach, von deſſen
Stülphute blaue Federn wehten, der jedem Kinde be¬
kannte Jürg Jenatſch.

Das Volk ſah dem mit ſeinem Reiterbegleite in
den aufgejagten Staubwolken ſchon wieder Verſchwin¬
denden mit Bewunderung und leiſem Grauen nach,
denn es ging die Sage, der arme Pfarrersſohn, wel¬
cher der mächtigſte und reichſte Herr im Lande gewor¬
den, habe ſeinen Chriſtenglauben abgeſchworen und
ſeine Seele dem leidigen Satan verſchrieben, darum
habe er in den unmöglichſten Anſchlägen Glück und
Gelingen.

Lauter und näher ertönte die Feldmuſik. Das
Volk vertheilte ſich auf die grünen Wieſen und Halden
zu beiden Seiten des Weges und bildete eine lebendige
Hecke. Die franzöſiſche Vorhut zog vorüber, aber die

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[328/0338] der Gebirgsthäler abhold geweſen, und die ſie jetzt um ſo lieber ſahen, als es das letzte Mal war und die langjährigen Gäſte am nächſten Morgen das Land für immer räumten. Da ſprengte ein Reitertrupp aus dem Thor und trieb die auf der heißen Straße ziehenden Maſſen aus¬ einander. Es waren Bündnerofficiere, voran auf einem ſchwarzen Hengſt ein Reiter in Scharlach, von deſſen Stülphute blaue Federn wehten, der jedem Kinde be¬ kannte Jürg Jenatſch. Das Volk ſah dem mit ſeinem Reiterbegleite in den aufgejagten Staubwolken ſchon wieder Verſchwin¬ denden mit Bewunderung und leiſem Grauen nach, denn es ging die Sage, der arme Pfarrersſohn, wel¬ cher der mächtigſte und reichſte Herr im Lande gewor¬ den, habe ſeinen Chriſtenglauben abgeſchworen und ſeine Seele dem leidigen Satan verſchrieben, darum habe er in den unmöglichſten Anſchlägen Glück und Gelingen. Lauter und näher ertönte die Feldmuſik. Das Volk vertheilte ſich auf die grünen Wieſen und Halden zu beiden Seiten des Weges und bildete eine lebendige Hecke. Die franzöſiſche Vorhut zog vorüber, aber die

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/338>, abgerufen am 22.11.2024.