Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

dessen edler feiner Stahl zerbrochen war in seiner es
mißbrauchenden Hand, und daß der Herzog Frankreich
nicht wieder betreten könne, ohne der Rache Richelieus
zu verfallen. Jenatsch hätte ihn gerne vor dieser Rache
sicher gewußt -- aber wo? Welches war die Stätte,
die dem Arme des Cardinals ihn entzog und die doch
kein trostloses Exil für ihn war, das zu erwählen er
sich weigern würde?

Er wartete vergebens. Der Herzog kam nicht
und als endlich die Thüre sich öffnete, war es der
Adjutant Wertmüller, der, ein Schreiben in seine Brief¬
tasche steckend, heraustrat und ohne Gruß an ihm vor¬
über schreiten wollte.

"Könnt Ihr mir nicht eine kurze Audienz bei dem
Herzog verschaffen, Wertmüller? . . . In seinen eigenen
Angelegenheiten," fragte der Bündner.

"Damit verschont Ihr ihn besser," versetzte der
Locotonent. "Euer Anblick hat für ihn seinen Reiz ver¬
loren. Was seine persönlichen Angelegenheiten betrifft,
so seid Ihr nicht der Mann, sie erfreulich zu ordnen.
Er hat es eben selbst gethan."

"Er hat schon über seine Zukunft entschieden?"
fragte Jenatsch gespannt. "Geht er nach Zürich oder
Genf? dort könnte er in edler Muße seinen Studien
leben."

21*

deſſen edler feiner Stahl zerbrochen war in ſeiner es
mißbrauchenden Hand, und daß der Herzog Frankreich
nicht wieder betreten könne, ohne der Rache Richelieus
zu verfallen. Jenatſch hätte ihn gerne vor dieſer Rache
ſicher gewußt — aber wo? Welches war die Stätte,
die dem Arme des Cardinals ihn entzog und die doch
kein troſtloſes Exil für ihn war, das zu erwählen er
ſich weigern würde?

Er wartete vergebens. Der Herzog kam nicht
und als endlich die Thüre ſich öffnete, war es der
Adjutant Wertmüller, der, ein Schreiben in ſeine Brief¬
taſche ſteckend, heraustrat und ohne Gruß an ihm vor¬
über ſchreiten wollte.

„Könnt Ihr mir nicht eine kurze Audienz bei dem
Herzog verſchaffen, Wertmüller? . . . In ſeinen eigenen
Angelegenheiten,“ fragte der Bündner.

„Damit verſchont Ihr ihn beſſer,“ verſetzte der
Locotonent. „Euer Anblick hat für ihn ſeinen Reiz ver¬
loren. Was ſeine perſönlichen Angelegenheiten betrifft,
ſo ſeid Ihr nicht der Mann, ſie erfreulich zu ordnen.
Er hat es eben ſelbſt gethan.“

„Er hat ſchon über ſeine Zukunft entſchieden?“
fragte Jenatſch geſpannt. „Geht er nach Zürich oder
Genf? dort könnte er in edler Muße ſeinen Studien
leben.“

21*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0333" n="323"/>
de&#x017F;&#x017F;en edler feiner Stahl zerbrochen war in &#x017F;einer es<lb/>
mißbrauchenden Hand, und daß der Herzog Frankreich<lb/>
nicht wieder betreten könne, ohne der Rache Richelieus<lb/>
zu verfallen. Jenat&#x017F;ch hätte ihn gerne vor die&#x017F;er Rache<lb/>
&#x017F;icher gewußt &#x2014; aber wo? Welches war die Stätte,<lb/>
die dem Arme des Cardinals ihn entzog und die doch<lb/>
kein tro&#x017F;tlo&#x017F;es Exil für ihn war, das zu erwählen er<lb/>
&#x017F;ich weigern würde?</p><lb/>
          <p>Er wartete vergebens. Der Herzog kam nicht<lb/>
und als endlich die Thüre &#x017F;ich öffnete, war es der<lb/>
Adjutant Wertmüller, der, ein Schreiben in &#x017F;eine Brief¬<lb/>
ta&#x017F;che &#x017F;teckend, heraustrat und ohne Gruß an ihm vor¬<lb/>
über &#x017F;chreiten wollte.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Könnt Ihr mir nicht eine kurze Audienz bei dem<lb/>
Herzog ver&#x017F;chaffen, Wertmüller? . . . In &#x017F;einen eigenen<lb/>
Angelegenheiten,&#x201C; fragte der Bündner.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Damit ver&#x017F;chont Ihr ihn be&#x017F;&#x017F;er,&#x201C; ver&#x017F;etzte der<lb/>
Locotonent. &#x201E;Euer Anblick hat für ihn &#x017F;einen Reiz ver¬<lb/>
loren. Was &#x017F;eine per&#x017F;önlichen Angelegenheiten betrifft,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;eid Ihr nicht der Mann, &#x017F;ie erfreulich zu ordnen.<lb/>
Er hat es eben &#x017F;elb&#x017F;t gethan.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er hat &#x017F;chon über &#x017F;eine Zukunft ent&#x017F;chieden?&#x201C;<lb/>
fragte Jenat&#x017F;ch ge&#x017F;pannt. &#x201E;Geht er nach Zürich oder<lb/>
Genf? dort könnte er in edler Muße &#x017F;einen Studien<lb/>
leben.&#x201C;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">21*<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[323/0333] deſſen edler feiner Stahl zerbrochen war in ſeiner es mißbrauchenden Hand, und daß der Herzog Frankreich nicht wieder betreten könne, ohne der Rache Richelieus zu verfallen. Jenatſch hätte ihn gerne vor dieſer Rache ſicher gewußt — aber wo? Welches war die Stätte, die dem Arme des Cardinals ihn entzog und die doch kein troſtloſes Exil für ihn war, das zu erwählen er ſich weigern würde? Er wartete vergebens. Der Herzog kam nicht und als endlich die Thüre ſich öffnete, war es der Adjutant Wertmüller, der, ein Schreiben in ſeine Brief¬ taſche ſteckend, heraustrat und ohne Gruß an ihm vor¬ über ſchreiten wollte. „Könnt Ihr mir nicht eine kurze Audienz bei dem Herzog verſchaffen, Wertmüller? . . . In ſeinen eigenen Angelegenheiten,“ fragte der Bündner. „Damit verſchont Ihr ihn beſſer,“ verſetzte der Locotonent. „Euer Anblick hat für ihn ſeinen Reiz ver¬ loren. Was ſeine perſönlichen Angelegenheiten betrifft, ſo ſeid Ihr nicht der Mann, ſie erfreulich zu ordnen. Er hat es eben ſelbſt gethan.“ „Er hat ſchon über ſeine Zukunft entſchieden?“ fragte Jenatſch geſpannt. „Geht er nach Zürich oder Genf? dort könnte er in edler Muße ſeinen Studien leben.“ 21*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/333
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/333>, abgerufen am 25.11.2024.