Beruhigung der Gemüther sogar unumgänglich noth¬ wendig.
Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand setzen konnte, auch das blindeste Vertrauen zu erschüttern. Er hatte in der Schenke zum staubigen Hüttlein die Bekanntschaft eines welschen Quacksalbers gemacht und zufällig erfahren, dieser gedenke jetzt in das Land des Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬ teuerliche Männchen, das sich in dem kalten Klima den Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte, rühmte sich in prahlerischer Weinlaune seiner hohen diplomatischen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬ müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig einschenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngst als er spät in der Nacht den bischöflichen Palast verließ, hatte er dies unverkennbare Figürchen bei schwachem Mond¬ scheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬ gestalt und im eifrigsten Gespräche mit dieser erblickt -- nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren seines Schrittes unter einem Thorwege verschwunden, aber genügend lang für sein scharfes Auge, um die auffallende Gestalt des Wunderdoktors deutlich gewahr zu werden und in der andern, von einem dunkeln
Meyer, Georg Jenatsch. 20
Beruhigung der Gemüther ſogar unumgänglich noth¬ wendig.
Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand ſetzen konnte, auch das blindeſte Vertrauen zu erſchüttern. Er hatte in der Schenke zum ſtaubigen Hüttlein die Bekanntſchaft eines welſchen Quackſalbers gemacht und zufällig erfahren, dieſer gedenke jetzt in das Land des Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬ teuerliche Männchen, das ſich in dem kalten Klima den Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte, rühmte ſich in prahleriſcher Weinlaune ſeiner hohen diplomatiſchen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬ müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig einſchenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngſt als er ſpät in der Nacht den biſchöflichen Palaſt verließ, hatte er dies unverkennbare Figürchen bei ſchwachem Mond¬ ſcheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬ geſtalt und im eifrigſten Geſpräche mit dieſer erblickt — nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren ſeines Schrittes unter einem Thorwege verſchwunden, aber genügend lang für ſein ſcharfes Auge, um die auffallende Geſtalt des Wunderdoktors deutlich gewahr zu werden und in der andern, von einem dunkeln
Meyer, Georg Jenatſch. 20
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0315"n="305"/>
Beruhigung der Gemüther ſogar unumgänglich noth¬<lb/>
wendig.</p><lb/><p>Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den<lb/>
edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur<lb/>
aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand ſetzen<lb/>
konnte, auch das blindeſte Vertrauen zu erſchüttern.<lb/>
Er hatte in der Schenke zum ſtaubigen Hüttlein die<lb/>
Bekanntſchaft eines welſchen Quackſalbers gemacht und<lb/>
zufällig erfahren, dieſer gedenke jetzt in das Land des<lb/>
Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬<lb/>
teuerliche Männchen, das ſich in dem kalten Klima den<lb/>
Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte,<lb/>
rühmte ſich in prahleriſcher Weinlaune ſeiner hohen<lb/>
diplomatiſchen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬<lb/>
müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig<lb/>
einſchenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngſt als er<lb/>ſpät in der Nacht den biſchöflichen Palaſt verließ, hatte<lb/>
er dies unverkennbare Figürchen bei ſchwachem Mond¬<lb/>ſcheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬<lb/>
geſtalt und im eifrigſten Geſpräche mit dieſer erblickt —<lb/>
nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren<lb/>ſeines Schrittes unter einem Thorwege verſchwunden,<lb/>
aber genügend lang für ſein ſcharfes Auge, um die<lb/>
auffallende Geſtalt des Wunderdoktors deutlich gewahr<lb/>
zu werden und in der andern, von einem dunkeln<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Meyer</hi>, Georg Jenatſch. 20<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[305/0315]
Beruhigung der Gemüther ſogar unumgänglich noth¬
wendig.
Ein Augenblick des Zweifels kam auch für den
edlen Herzog. Es war Wertmüller gelungen eine Spur
aufzufinden, deren Verfolgung ihn in den Stand ſetzen
konnte, auch das blindeſte Vertrauen zu erſchüttern.
Er hatte in der Schenke zum ſtaubigen Hüttlein die
Bekanntſchaft eines welſchen Quackſalbers gemacht und
zufällig erfahren, dieſer gedenke jetzt in das Land des
Lorbeers und der Myrte zurückzukehren. Das aben¬
teuerliche Männchen, das ſich in dem kalten Klima den
Magen mit dem gefährlichen weißen Completer wärmte,
rühmte ſich in prahleriſcher Weinlaune ſeiner hohen
diplomatiſchen Beziehungen und Fähigkeiten; in Wert¬
müller, der ihn bewundernd anhörte und ihm fleißig
einſchenkte, blitzte eine Erinnerung auf. Jüngſt als er
ſpät in der Nacht den biſchöflichen Palaſt verließ, hatte
er dies unverkennbare Figürchen bei ſchwachem Mond¬
ſcheine in einer Ecke des Hofes neben einer Holofernes¬
geſtalt und im eifrigſten Geſpräche mit dieſer erblickt —
nur einen Moment, denn die Beiden waren beim Klirren
ſeines Schrittes unter einem Thorwege verſchwunden,
aber genügend lang für ſein ſcharfes Auge, um die
auffallende Geſtalt des Wunderdoktors deutlich gewahr
zu werden und in der andern, von einem dunkeln
Meyer, Georg Jenatſch. 20
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/315>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.