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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Herr von Lecques, den Rohan an der Spitze seines
Heeres im Veltlin zurückgelassen hatte, von drohenden
Zeichen des Ungehorsams unter seinen Bündnertruppen,
die auf eine allgemeine Gährung im Volke hindeuteten.
Er würde, schrieb er, diesen einzelnen Vorfällen weiter
keine Bedeutung beilegen, wenn nicht die Spanier in
ansehnlichen Massen sich der Grenze näherten, wenn
nicht der Herzog von seinem Heere getrennt wäre und
sich in der Mitte eines, wie er fürchte, mit der Politik
Frankreichs täglich unzufriedener werdenden Landes be¬
fände. Er schloß seinen Bericht damit, daß er den
Herzog bat und beschwor, sich um jeden Preis mit sei¬
nem getreuen Heere im Veltlin zu vereinigen. Sei
dies geschehen, habe er, Lecques, seiner peinigenden
Verantwortung sich entledigt und den Befehl in die
ruhmreichsten Hände niedergelegt, so freue er sich, an
der Seite seines Feldherrn, den Degen in der Faust,
der ganzen Welt zu trotzen.

Wertmüller vernahm diesen rettenden Vorschlag
mit Jubel -- und fluchte wüthend, als er nach dem
nächsten Besuche des Obersten wahrnehmen mußte, daß
es diesem gelungen war, den Herzog zu überzeugen,
sein Aufenthalt in Chur sei völlig gefahrlos, für die
französischen Interessen in Bünden vortheilhaft, bei der
Verehrung, die seine Person im Lande genieße, zur

Herr von Lecques, den Rohan an der Spitze ſeines
Heeres im Veltlin zurückgelaſſen hatte, von drohenden
Zeichen des Ungehorſams unter ſeinen Bündnertruppen,
die auf eine allgemeine Gährung im Volke hindeuteten.
Er würde, ſchrieb er, dieſen einzelnen Vorfällen weiter
keine Bedeutung beilegen, wenn nicht die Spanier in
anſehnlichen Maſſen ſich der Grenze näherten, wenn
nicht der Herzog von ſeinem Heere getrennt wäre und
ſich in der Mitte eines, wie er fürchte, mit der Politik
Frankreichs täglich unzufriedener werdenden Landes be¬
fände. Er ſchloß ſeinen Bericht damit, daß er den
Herzog bat und beſchwor, ſich um jeden Preis mit ſei¬
nem getreuen Heere im Veltlin zu vereinigen. Sei
dies geſchehen, habe er, Lecques, ſeiner peinigenden
Verantwortung ſich entledigt und den Befehl in die
ruhmreichſten Hände niedergelegt, ſo freue er ſich, an
der Seite ſeines Feldherrn, den Degen in der Fauſt,
der ganzen Welt zu trotzen.

Wertmüller vernahm dieſen rettenden Vorſchlag
mit Jubel — und fluchte wüthend, als er nach dem
nächſten Beſuche des Oberſten wahrnehmen mußte, daß
es dieſem gelungen war, den Herzog zu überzeugen,
ſein Aufenthalt in Chur ſei völlig gefahrlos, für die
franzöſiſchen Intereſſen in Bünden vortheilhaft, bei der
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[304/0314] Herr von Lecques, den Rohan an der Spitze ſeines Heeres im Veltlin zurückgelaſſen hatte, von drohenden Zeichen des Ungehorſams unter ſeinen Bündnertruppen, die auf eine allgemeine Gährung im Volke hindeuteten. Er würde, ſchrieb er, dieſen einzelnen Vorfällen weiter keine Bedeutung beilegen, wenn nicht die Spanier in anſehnlichen Maſſen ſich der Grenze näherten, wenn nicht der Herzog von ſeinem Heere getrennt wäre und ſich in der Mitte eines, wie er fürchte, mit der Politik Frankreichs täglich unzufriedener werdenden Landes be¬ fände. Er ſchloß ſeinen Bericht damit, daß er den Herzog bat und beſchwor, ſich um jeden Preis mit ſei¬ nem getreuen Heere im Veltlin zu vereinigen. Sei dies geſchehen, habe er, Lecques, ſeiner peinigenden Verantwortung ſich entledigt und den Befehl in die ruhmreichſten Hände niedergelegt, ſo freue er ſich, an der Seite ſeines Feldherrn, den Degen in der Fauſt, der ganzen Welt zu trotzen. Wertmüller vernahm dieſen rettenden Vorſchlag mit Jubel — und fluchte wüthend, als er nach dem nächſten Beſuche des Oberſten wahrnehmen mußte, daß es dieſem gelungen war, den Herzog zu überzeugen, ſein Aufenthalt in Chur ſei völlig gefahrlos, für die franzöſiſchen Intereſſen in Bünden vortheilhaft, bei der Verehrung, die ſeine Perſon im Lande genieße, zur

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/314>, abgerufen am 22.11.2024.