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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Herzog aus St. Germain, sollte dem Mißstande nächstens
ein Ende machen.

Welche Hemmungen und Säumnisse also das Werk
des Herzogs erfuhr durch den Menschen und Dingen
inwohnenden Widerstand gegen gerechte, einen selbst¬
süchtigen Interessenkreis durchbrechende Lösungen --
nun stand er hart vor seinem Ziele und die Bündner
erreichten, dank der ihnen von Rohan auferlegten
Mäßigung, die Befreiung ihres Landes.

Da plötzlich verbreitete sich zur Zeit der fallenden
Blätter eine unheimliche Botschaft durch die bünd¬
nerischen Thäler. Der gute Herzog, hieß es, weile
nicht mehr unter den Lebenden. Er sei in seinem
Palaste zu Sondrio einem Sumpffieber zum Opfer ge¬
fallen. Schon habe ein Bote das Stilfserjoch über¬
schritten und sei nach Brixen geeilt, um die Spezerei
zur Einbalsamirung seines Leichnams zu holen.

Dieses Gerücht erschreckte die Gemüther, wo es
hingelangte. Man ward sich plötzlich sorgenvoll be¬
wußt, was alles an diesem edeln Leben hing. Wie in
den Bergen, wenn eine Wolke vor die Sonne gleitet,
die Landschaft mit einem Schlage dunkel wird und zu¬
gleich in ihren einzelnen schroffen Zügen schärfer hervor¬
tritt, so erschien den Bündnern, als sie den Herzog
sich hinwegdachten, die unsichere Abhängigkeit und die

Meyer, Georg Jenatsch. 16

Herzog aus St. Germain, ſollte dem Mißſtande nächſtens
ein Ende machen.

Welche Hemmungen und Säumniſſe alſo das Werk
des Herzogs erfuhr durch den Menſchen und Dingen
inwohnenden Widerſtand gegen gerechte, einen ſelbſt¬
ſüchtigen Intereſſenkreis durchbrechende Löſungen —
nun ſtand er hart vor ſeinem Ziele und die Bündner
erreichten, dank der ihnen von Rohan auferlegten
Mäßigung, die Befreiung ihres Landes.

Da plötzlich verbreitete ſich zur Zeit der fallenden
Blätter eine unheimliche Botſchaft durch die bünd¬
neriſchen Thäler. Der gute Herzog, hieß es, weile
nicht mehr unter den Lebenden. Er ſei in ſeinem
Palaſte zu Sondrio einem Sumpffieber zum Opfer ge¬
fallen. Schon habe ein Bote das Stilfſerjoch über¬
ſchritten und ſei nach Brixen geeilt, um die Spezerei
zur Einbalſamirung ſeines Leichnams zu holen.

Dieſes Gerücht erſchreckte die Gemüther, wo es
hingelangte. Man ward ſich plötzlich ſorgenvoll be¬
wußt, was alles an dieſem edeln Leben hing. Wie in
den Bergen, wenn eine Wolke vor die Sonne gleitet,
die Landſchaft mit einem Schlage dunkel wird und zu¬
gleich in ihren einzelnen ſchroffen Zügen ſchärfer hervor¬
tritt, ſo erſchien den Bündnern, als ſie den Herzog
ſich hinwegdachten, die unſichere Abhängigkeit und die

Meyer, Georg Jenatſch. 16
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[241/0251] Herzog aus St. Germain, ſollte dem Mißſtande nächſtens ein Ende machen. Welche Hemmungen und Säumniſſe alſo das Werk des Herzogs erfuhr durch den Menſchen und Dingen inwohnenden Widerſtand gegen gerechte, einen ſelbſt¬ ſüchtigen Intereſſenkreis durchbrechende Löſungen — nun ſtand er hart vor ſeinem Ziele und die Bündner erreichten, dank der ihnen von Rohan auferlegten Mäßigung, die Befreiung ihres Landes. Da plötzlich verbreitete ſich zur Zeit der fallenden Blätter eine unheimliche Botſchaft durch die bünd¬ neriſchen Thäler. Der gute Herzog, hieß es, weile nicht mehr unter den Lebenden. Er ſei in ſeinem Palaſte zu Sondrio einem Sumpffieber zum Opfer ge¬ fallen. Schon habe ein Bote das Stilfſerjoch über¬ ſchritten und ſei nach Brixen geeilt, um die Spezerei zur Einbalſamirung ſeines Leichnams zu holen. Dieſes Gerücht erſchreckte die Gemüther, wo es hingelangte. Man ward ſich plötzlich ſorgenvoll be¬ wußt, was alles an dieſem edeln Leben hing. Wie in den Bergen, wenn eine Wolke vor die Sonne gleitet, die Landſchaft mit einem Schlage dunkel wird und zu¬ gleich in ihren einzelnen ſchroffen Zügen ſchärfer hervor¬ tritt, ſo erſchien den Bündnern, als ſie den Herzog ſich hinwegdachten, die unſichere Abhängigkeit und die Meyer, Georg Jenatſch. 16

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/251>, abgerufen am 25.11.2024.