Bei dem dritten dieser Siege, der Schlacht in Val Fraele, grenzt die Ungleichheit des Verlustes an das Unglaubliche. Der Herzog büßte nach seinem eigenen Zeugniß nicht sechs Mann ein, während zwölfhundert Feinde auf der Wahlstatt blieben. Es giebt nur eine Erklärung für eine so ungleiche Vertheilung der Todes¬ loose: Der französische Feldherr hatte vor den Oester¬ reichern die vollkommene Kenntniß dieser verlorenen Hochthäler voraus. Rohan hatte Bündner neben sich, die das Bergland wie die mit Arvholz getäfelte Stube ihres Vaters und das Stammwappen über dem Haus¬ thore kannten, und keiner war mit Bündens Bergen vertrauter als Georg Jenatsch.
In dem Schreiben, das der Herzog über diesen Sieg an die bündnerischen Behörden richtete, hebt er die Tapferkeit des Obersten Jenatsch und des von ihm geführten heimischen Regimentes mit dem wärmsten Lobe hervor. Ueberhaupt stieg Georg Jenatsch unaufhaltsam in der Achtung und im Vertrauen des Herzogs und wurde, ohne daß Rohan selbst sich dessen bewußt war, sein am liebsten gehörter Rathgeber. Versammelte der Feldherr in Fällen, wo sich Kühnheit und Vorsicht be¬ streiten mochten, einen Kriegsrath, so trieb Jenatsch immer zu den gewagtesten Angriffen und beanspruchte für sich selbst den gefährlichsten Posten; aber seine Rath¬
Bei dem dritten dieſer Siege, der Schlacht in Val Fraele, grenzt die Ungleichheit des Verluſtes an das Unglaubliche. Der Herzog büßte nach ſeinem eigenen Zeugniß nicht ſechs Mann ein, während zwölfhundert Feinde auf der Wahlſtatt blieben. Es giebt nur eine Erklärung für eine ſo ungleiche Vertheilung der Todes¬ looſe: Der franzöſiſche Feldherr hatte vor den Oeſter¬ reichern die vollkommene Kenntniß dieſer verlorenen Hochthäler voraus. Rohan hatte Bündner neben ſich, die das Bergland wie die mit Arvholz getäfelte Stube ihres Vaters und das Stammwappen über dem Haus¬ thore kannten, und keiner war mit Bündens Bergen vertrauter als Georg Jenatſch.
In dem Schreiben, das der Herzog über dieſen Sieg an die bündneriſchen Behörden richtete, hebt er die Tapferkeit des Oberſten Jenatſch und des von ihm geführten heimiſchen Regimentes mit dem wärmſten Lobe hervor. Ueberhaupt ſtieg Georg Jenatſch unaufhaltſam in der Achtung und im Vertrauen des Herzogs und wurde, ohne daß Rohan ſelbſt ſich deſſen bewußt war, ſein am liebſten gehörter Rathgeber. Verſammelte der Feldherr in Fällen, wo ſich Kühnheit und Vorſicht be¬ ſtreiten mochten, einen Kriegsrath, ſo trieb Jenatſch immer zu den gewagteſten Angriffen und beanſpruchte für ſich ſelbſt den gefährlichſten Poſten; aber ſeine Rath¬
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Bei dem dritten dieſer Siege, der Schlacht in Val
Fraele, grenzt die Ungleichheit des Verluſtes an das
Unglaubliche. Der Herzog büßte nach ſeinem eigenen
Zeugniß nicht ſechs Mann ein, während zwölfhundert
Feinde auf der Wahlſtatt blieben. Es giebt nur eine
Erklärung für eine ſo ungleiche Vertheilung der Todes¬
looſe: Der franzöſiſche Feldherr hatte vor den Oeſter¬
reichern die vollkommene Kenntniß dieſer verlorenen
Hochthäler voraus. Rohan hatte Bündner neben ſich,
die das Bergland wie die mit Arvholz getäfelte Stube
ihres Vaters und das Stammwappen über dem Haus¬
thore kannten, und keiner war mit Bündens Bergen
vertrauter als Georg Jenatſch.
In dem Schreiben, das der Herzog über dieſen
Sieg an die bündneriſchen Behörden richtete, hebt er
die Tapferkeit des Oberſten Jenatſch und des von ihm
geführten heimiſchen Regimentes mit dem wärmſten Lobe
hervor. Ueberhaupt ſtieg Georg Jenatſch unaufhaltſam
in der Achtung und im Vertrauen des Herzogs und
wurde, ohne daß Rohan ſelbſt ſich deſſen bewußt war,
ſein am liebſten gehörter Rathgeber. Verſammelte der
Feldherr in Fällen, wo ſich Kühnheit und Vorſicht be¬
ſtreiten mochten, einen Kriegsrath, ſo trieb Jenatſch
immer zu den gewagteſten Angriffen und beanſpruchte
für ſich ſelbſt den gefährlichſten Poſten; aber ſeine Rath¬
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/245>, abgerufen am 23.11.2024.
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