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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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deren blasses Frühlingsgrün sich eben aus den springen¬
den Knospen entwickelte. So hatte sie eine Weile den
Hühnern zugesehn, die neben der Krippe das von den
fressenden Pferden herausgeworfene Futter aufpickten,
da erblickte sie zwischen den zarten Blättern und jungen
Ranken hindurch auf der staubigen Landstraße einen
Zug Leute, der sogleich ihre ganze Aufmerksamkeit fesselte.
Sie errieth, daß ein Gefangener eingebracht werde und
als er näher kam, erbebte ihre Seele. Ein halbes
Dutzend spanischer Soldaten, voran ein alter dürrer
Hauptmann zu Pferde, führten in ihrer Mitte einen
Mann in der Alltagstracht des Veltlinerbauers, dessen
Kleider zerrissen und über und über von Sumpfwasser
geschwärzt waren. Staub und Blut entstellten sein
Angesicht, und die Hände waren ihm mit groben Stricken
hinter dem Rücken zusammengebunden. Das Fräulein
erkannte mit Entsetzen die hohe Gestalt und die trotzige
Haltung des Jürg Jenatsch. Auf den Spuren des
eingeholten Flüchtlings schnüffelten spanische Bluthunde,
welche wohl bei dieser Menschenjagd Dienste geleistet
hatten, und gelbe halbnackte Jungen und blödsinnige
Zwerggestalten liefen johlend hinter dem gewaltigen
wehrlosen Manne her. Beim Herannahen des Trupps
eilten die Bewohner des Hauses vor der Thüre zu¬
sammen, auch Lucas kam herbei, der eben die Pferde

deren blaſſes Frühlingsgrün ſich eben aus den ſpringen¬
den Knospen entwickelte. So hatte ſie eine Weile den
Hühnern zugeſehn, die neben der Krippe das von den
freſſenden Pferden herausgeworfene Futter aufpickten,
da erblickte ſie zwiſchen den zarten Blättern und jungen
Ranken hindurch auf der ſtaubigen Landſtraße einen
Zug Leute, der ſogleich ihre ganze Aufmerkſamkeit feſſelte.
Sie errieth, daß ein Gefangener eingebracht werde und
als er näher kam, erbebte ihre Seele. Ein halbes
Dutzend ſpaniſcher Soldaten, voran ein alter dürrer
Hauptmann zu Pferde, führten in ihrer Mitte einen
Mann in der Alltagstracht des Veltlinerbauers, deſſen
Kleider zerriſſen und über und über von Sumpfwaſſer
geſchwärzt waren. Staub und Blut entſtellten ſein
Angeſicht, und die Hände waren ihm mit groben Stricken
hinter dem Rücken zuſammengebunden. Das Fräulein
erkannte mit Entſetzen die hohe Geſtalt und die trotzige
Haltung des Jürg Jenatſch. Auf den Spuren des
eingeholten Flüchtlings ſchnüffelten ſpaniſche Bluthunde,
welche wohl bei dieſer Menſchenjagd Dienſte geleiſtet
hatten, und gelbe halbnackte Jungen und blödſinnige
Zwerggeſtalten liefen johlend hinter dem gewaltigen
wehrloſen Manne her. Beim Herannahen des Trupps
eilten die Bewohner des Hauſes vor der Thüre zu¬
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[220/0230] deren blaſſes Frühlingsgrün ſich eben aus den ſpringen¬ den Knospen entwickelte. So hatte ſie eine Weile den Hühnern zugeſehn, die neben der Krippe das von den freſſenden Pferden herausgeworfene Futter aufpickten, da erblickte ſie zwiſchen den zarten Blättern und jungen Ranken hindurch auf der ſtaubigen Landſtraße einen Zug Leute, der ſogleich ihre ganze Aufmerkſamkeit feſſelte. Sie errieth, daß ein Gefangener eingebracht werde und als er näher kam, erbebte ihre Seele. Ein halbes Dutzend ſpaniſcher Soldaten, voran ein alter dürrer Hauptmann zu Pferde, führten in ihrer Mitte einen Mann in der Alltagstracht des Veltlinerbauers, deſſen Kleider zerriſſen und über und über von Sumpfwaſſer geſchwärzt waren. Staub und Blut entſtellten ſein Angeſicht, und die Hände waren ihm mit groben Stricken hinter dem Rücken zuſammengebunden. Das Fräulein erkannte mit Entſetzen die hohe Geſtalt und die trotzige Haltung des Jürg Jenatſch. Auf den Spuren des eingeholten Flüchtlings ſchnüffelten ſpaniſche Bluthunde, welche wohl bei dieſer Menſchenjagd Dienſte geleiſtet hatten, und gelbe halbnackte Jungen und blödſinnige Zwerggeſtalten liefen johlend hinter dem gewaltigen wehrloſen Manne her. Beim Herannahen des Trupps eilten die Bewohner des Hauſes vor der Thüre zu¬ ſammen, auch Lucas kam herbei, der eben die Pferde

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/230>, abgerufen am 23.11.2024.