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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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von dem begabten Halbwilden hatte, welchen er sich zum
Werkzeuge erlesen, war ihm empfindlich, wohl aber, daß
der Venetianer die geheime Wunde seines Lebens, seine
schiefe Stellung zu Richelieu scharfsinnig erkannte und
zu berühren sich nicht scheute. Der Frankreich nach
großem Plane regierende, aber ihm persönlich abgeneigte
Cardinal war im Stande -- Rohan wußte es wohl --
seine protestantische Glaubenstreue als Mittel zum Zwecke
auszubeuten und ihn persönlich aufzuopfern. Die Ge¬
fahr, welche er sich selbst auszureden suchte und in
schlaflosen Nächten doch immer und immer wieder sorgen¬
voll erwog, war also fremden Augen offenbar.

-- "Verzeiht, theurer Herr, meine vielleicht schwarz¬
sichtige Sorge für Euch," sagte Grimani, der den ver¬
borgenen Kummer des Herzogs in seiner erkälteten
Miene las. "Frankreich darf und wird sich gegen seinen
edelsten Sohn nicht undankbar erzeigen. -- Nur um
Eines bitte ich Euch, flehe ich Euch an: Wenn Ihr
an meine Ergebenheit glaubt, -- hütet Euch vor Georg
Jenatsch."

Kaum war das Wort ausgesprochen, so klirrten
rasche Tritte im Vorsaal und der Genannte trat mit
dem Adjutanten Wertmüller in das Gemach, wo eben
noch edelmüthige Größe und menschenverachtender Scharf¬
sinn über ihn zu Gerichte gesessen und um ihn gestritten

von dem begabten Halbwilden hatte, welchen er ſich zum
Werkzeuge erleſen, war ihm empfindlich, wohl aber, daß
der Venetianer die geheime Wunde ſeines Lebens, ſeine
ſchiefe Stellung zu Richelieu ſcharfſinnig erkannte und
zu berühren ſich nicht ſcheute. Der Frankreich nach
großem Plane regierende, aber ihm perſönlich abgeneigte
Cardinal war im Stande — Rohan wußte es wohl —
ſeine proteſtantiſche Glaubenstreue als Mittel zum Zwecke
auszubeuten und ihn perſönlich aufzuopfern. Die Ge¬
fahr, welche er ſich ſelbſt auszureden ſuchte und in
ſchlafloſen Nächten doch immer und immer wieder ſorgen¬
voll erwog, war alſo fremden Augen offenbar.

— „Verzeiht, theurer Herr, meine vielleicht ſchwarz¬
ſichtige Sorge für Euch,“ ſagte Grimani, der den ver¬
borgenen Kummer des Herzogs in ſeiner erkälteten
Miene las. „Frankreich darf und wird ſich gegen ſeinen
edelſten Sohn nicht undankbar erzeigen. — Nur um
Eines bitte ich Euch, flehe ich Euch an: Wenn Ihr
an meine Ergebenheit glaubt, — hütet Euch vor Georg
Jenatſch.“

Kaum war das Wort ausgeſprochen, ſo klirrten
raſche Tritte im Vorſaal und der Genannte trat mit
dem Adjutanten Wertmüller in das Gemach, wo eben
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[204/0214] von dem begabten Halbwilden hatte, welchen er ſich zum Werkzeuge erleſen, war ihm empfindlich, wohl aber, daß der Venetianer die geheime Wunde ſeines Lebens, ſeine ſchiefe Stellung zu Richelieu ſcharfſinnig erkannte und zu berühren ſich nicht ſcheute. Der Frankreich nach großem Plane regierende, aber ihm perſönlich abgeneigte Cardinal war im Stande — Rohan wußte es wohl — ſeine proteſtantiſche Glaubenstreue als Mittel zum Zwecke auszubeuten und ihn perſönlich aufzuopfern. Die Ge¬ fahr, welche er ſich ſelbſt auszureden ſuchte und in ſchlafloſen Nächten doch immer und immer wieder ſorgen¬ voll erwog, war alſo fremden Augen offenbar. — „Verzeiht, theurer Herr, meine vielleicht ſchwarz¬ ſichtige Sorge für Euch,“ ſagte Grimani, der den ver¬ borgenen Kummer des Herzogs in ſeiner erkälteten Miene las. „Frankreich darf und wird ſich gegen ſeinen edelſten Sohn nicht undankbar erzeigen. — Nur um Eines bitte ich Euch, flehe ich Euch an: Wenn Ihr an meine Ergebenheit glaubt, — hütet Euch vor Georg Jenatſch.“ Kaum war das Wort ausgeſprochen, ſo klirrten raſche Tritte im Vorſaal und der Genannte trat mit dem Adjutanten Wertmüller in das Gemach, wo eben noch edelmüthige Größe und menſchenverachtender Scharf¬ ſinn über ihn zu Gerichte geſeſſen und um ihn geſtritten

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/214>, abgerufen am 23.11.2024.