weil Eure Gewalt über die protestantischen Herzen ihm dort ein Heer ersetzt. So werdet Ihr mir einräumen, edler Herr, daß Euer eine schwere Stunde und eine peinliche Doppelstellung zwischen dem Cardinal und Bünden wartet. Wohl wird es Eurer Weisheit ge¬ lingen, das Interesse der französischen Krone, welcher Ihr dient und die von Euch verbürgten Ansprüche des Gebirgsvolkes, ohne jenes zu verleugnen oder diese zu täuschen, durch umsichtige Politik und kluge Zögerung in der Schwebe zu halten und endlich auszugleichen; aber nur unter der Bedingung, daß das hingehaltene Bünden in keiner Weise gegen Euch und Frankreich ein¬ genommen und aufgestachelt werde. -- Ihr lächelt, gnädiger Herr! -- In der That, wer in Bünden sollte es wagen gegen das mächtige Frankreich sich zu ver¬ schwören oder gar mit offener Gewaltthat zu erheben! Gewiß Keiner, Ihr habt Recht, wenn nicht vielleicht jener Heillose -- Euer Schützling, Georg Jenatsch."
Der Herzog lehnte sich mit einer abwehrenden Handbewegung und dem schmerzlichen Ausdrucke ver¬ letzten Selbstgefühls zurück. Eine Wolke zog über seine Stirn. Das Bild des Bündners, wie es der Haß Grimanis entwarf, schien ihm vergrößert und entstellt; doch nicht die seine Menschenkenntniß in Frage stellende, übertrieben schlimme und große Meinung, die Grimani
weil Eure Gewalt über die proteſtantiſchen Herzen ihm dort ein Heer erſetzt. So werdet Ihr mir einräumen, edler Herr, daß Euer eine ſchwere Stunde und eine peinliche Doppelſtellung zwiſchen dem Cardinal und Bünden wartet. Wohl wird es Eurer Weisheit ge¬ lingen, das Intereſſe der franzöſiſchen Krone, welcher Ihr dient und die von Euch verbürgten Anſprüche des Gebirgsvolkes, ohne jenes zu verleugnen oder dieſe zu täuſchen, durch umſichtige Politik und kluge Zögerung in der Schwebe zu halten und endlich auszugleichen; aber nur unter der Bedingung, daß das hingehaltene Bünden in keiner Weiſe gegen Euch und Frankreich ein¬ genommen und aufgeſtachelt werde. — Ihr lächelt, gnädiger Herr! — In der That, wer in Bünden ſollte es wagen gegen das mächtige Frankreich ſich zu ver¬ ſchwören oder gar mit offener Gewaltthat zu erheben! Gewiß Keiner, Ihr habt Recht, wenn nicht vielleicht jener Heilloſe — Euer Schützling, Georg Jenatſch.“
Der Herzog lehnte ſich mit einer abwehrenden Handbewegung und dem ſchmerzlichen Ausdrucke ver¬ letzten Selbſtgefühls zurück. Eine Wolke zog über ſeine Stirn. Das Bild des Bündners, wie es der Haß Grimanis entwarf, ſchien ihm vergrößert und entſtellt; doch nicht die ſeine Menſchenkenntniß in Frage ſtellende, übertrieben ſchlimme und große Meinung, die Grimani
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[203/0213]
weil Eure Gewalt über die proteſtantiſchen Herzen ihm
dort ein Heer erſetzt. So werdet Ihr mir einräumen,
edler Herr, daß Euer eine ſchwere Stunde und eine
peinliche Doppelſtellung zwiſchen dem Cardinal und
Bünden wartet. Wohl wird es Eurer Weisheit ge¬
lingen, das Intereſſe der franzöſiſchen Krone, welcher
Ihr dient und die von Euch verbürgten Anſprüche des
Gebirgsvolkes, ohne jenes zu verleugnen oder dieſe zu
täuſchen, durch umſichtige Politik und kluge Zögerung
in der Schwebe zu halten und endlich auszugleichen;
aber nur unter der Bedingung, daß das hingehaltene
Bünden in keiner Weiſe gegen Euch und Frankreich ein¬
genommen und aufgeſtachelt werde. — Ihr lächelt,
gnädiger Herr! — In der That, wer in Bünden ſollte
es wagen gegen das mächtige Frankreich ſich zu ver¬
ſchwören oder gar mit offener Gewaltthat zu erheben!
Gewiß Keiner, Ihr habt Recht, wenn nicht vielleicht
jener Heilloſe — Euer Schützling, Georg Jenatſch.“
Der Herzog lehnte ſich mit einer abwehrenden
Handbewegung und dem ſchmerzlichen Ausdrucke ver¬
letzten Selbſtgefühls zurück. Eine Wolke zog über ſeine
Stirn. Das Bild des Bündners, wie es der Haß
Grimanis entwarf, ſchien ihm vergrößert und entſtellt;
doch nicht die ſeine Menſchenkenntniß in Frage ſtellende,
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/213>, abgerufen am 27.11.2024.
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