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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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und Hauptmann Jenatsch ist nicht ohne Schutz in Ve¬
nedig, denn in Ermangelung eines bündnerischen Ge¬
sandten bei der Republik von San Marco glaube ich
Geringer im Sinne meiner Obern zu handeln, wenn
ich die Interessen des mit Zürich verbündeten Landes
in Venedig nach Kräften wahrnehme." --

"Da verwendet sich noch ein anderer Schutzpatron
für die Unschuld, die ich in der Person des Hauptmanns
Jenatsch verfolge," sagte der Venetianer mit schmerz¬
lichem Spotte, denn eben wurde ein in rothe Seide ge¬
kleideter französischer Edelknabe eingelassen, um in des
Herrn Provveditore eigene Hand ein Schreiben seines
Gebieters, des Herzogs Heinrich Rohan zu legen.

"Der erlauchte Herzog will mir die Ehre eines
Besuches erweisen," sagte Grimani die Zeilen durch¬
laufend, "das darf ich nicht zugeben. Meldet, daß ich
mich ihm in einer Stunde vorstellen werde. -- Eure
Begleitung, Signor Waser, würde mich erfreuen."

Damit erhob sich der feine bleiche Mann mit den
melancholischen Augen und zog sich in sein Ankleide¬
zimmer zurück.

Waser blieb zögernd stehen. Dann trat er zum
Tische und durchlas sorgfältig die übrigen Zeugenaus¬
sagen. Zuletzt fiel sein Blick auf die unter einen Stuhl
gerollte Abhandlung des Magisters Pamfilio Dolce aus

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und Hauptmann Jenatſch iſt nicht ohne Schutz in Ve¬
nedig, denn in Ermangelung eines bündneriſchen Ge¬
ſandten bei der Republik von San Marco glaube ich
Geringer im Sinne meiner Obern zu handeln, wenn
ich die Intereſſen des mit Zürich verbündeten Landes
in Venedig nach Kräften wahrnehme.“ —

„Da verwendet ſich noch ein anderer Schutzpatron
für die Unſchuld, die ich in der Perſon des Hauptmanns
Jenatſch verfolge,“ ſagte der Venetianer mit ſchmerz¬
lichem Spotte, denn eben wurde ein in rothe Seide ge¬
kleideter franzöſiſcher Edelknabe eingelaſſen, um in des
Herrn Provveditore eigene Hand ein Schreiben ſeines
Gebieters, des Herzogs Heinrich Rohan zu legen.

„Der erlauchte Herzog will mir die Ehre eines
Beſuches erweiſen,“ ſagte Grimani die Zeilen durch¬
laufend, „das darf ich nicht zugeben. Meldet, daß ich
mich ihm in einer Stunde vorſtellen werde. — Eure
Begleitung, Signor Waſer, würde mich erfreuen.“

Damit erhob ſich der feine bleiche Mann mit den
melancholiſchen Augen und zog ſich in ſein Ankleide¬
zimmer zurück.

Waſer blieb zögernd ſtehen. Dann trat er zum
Tiſche und durchlas ſorgfältig die übrigen Zeugenaus¬
ſagen. Zuletzt fiel ſein Blick auf die unter einen Stuhl
gerollte Abhandlung des Magiſters Pamfilio Dolce aus

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[195/0205] und Hauptmann Jenatſch iſt nicht ohne Schutz in Ve¬ nedig, denn in Ermangelung eines bündneriſchen Ge¬ ſandten bei der Republik von San Marco glaube ich Geringer im Sinne meiner Obern zu handeln, wenn ich die Intereſſen des mit Zürich verbündeten Landes in Venedig nach Kräften wahrnehme.“ — „Da verwendet ſich noch ein anderer Schutzpatron für die Unſchuld, die ich in der Perſon des Hauptmanns Jenatſch verfolge,“ ſagte der Venetianer mit ſchmerz¬ lichem Spotte, denn eben wurde ein in rothe Seide ge¬ kleideter franzöſiſcher Edelknabe eingelaſſen, um in des Herrn Provveditore eigene Hand ein Schreiben ſeines Gebieters, des Herzogs Heinrich Rohan zu legen. „Der erlauchte Herzog will mir die Ehre eines Beſuches erweiſen,“ ſagte Grimani die Zeilen durch¬ laufend, „das darf ich nicht zugeben. Meldet, daß ich mich ihm in einer Stunde vorſtellen werde. — Eure Begleitung, Signor Waſer, würde mich erfreuen.“ Damit erhob ſich der feine bleiche Mann mit den melancholiſchen Augen und zog ſich in ſein Ankleide¬ zimmer zurück. Waſer blieb zögernd ſtehen. Dann trat er zum Tiſche und durchlas ſorgfältig die übrigen Zeugenaus¬ ſagen. Zuletzt fiel ſein Blick auf die unter einen Stuhl gerollte Abhandlung des Magiſters Pamfilio Dolce aus 13*

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/205>, abgerufen am 27.11.2024.