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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Waser, dem diese mystischen Gedankengänge sehr
ferne lagen und aus dem Munde seines sonst so kalten,
diplomatischen Gastfreundes befremdlich klangen, bemäch¬
tigte sich jetzt der Rede, um in ein glänzendes Lob der
Republik von San Marco auszubrechen, die, einzig in
Italien, mit der Staatsweisheit und dem Rechtssinne
der alten Roma eine Parallele bilde.

"Was die Fabeleien von willkürlicher Justiz und
geheimen nächtlichen Hinrichtungen betrifft, so bin ich
nicht der Mann, mein verehrter Gastfreund, an solche
Märlein zu glauben," schloß der Zürcher, erfreut mit
einer, wie er überzeugt war, ungezwungenen Wendung
an das heiß erwünschte Ziel zu gelangen, "und darum
kann ich ganz ohne Rückhalt ein mir unerklärliches
Ereigniß mit Euch besprechen, daß sich gestern im Canal
grande begab und wobei mein Jugendfreund, der Haupt¬
mann in venetianischen Diensten Georg Jenatsch, ohne
Spur verschwunden sein soll. Die durchlauchtige Frau
Herzogin Rohan, welche die Gnade hatte mich mit dem
Vorfall bekannt zu machen, schien mir, soweit ich ihre
Andeutungen zu fassen vermochte, nicht ferne zu sein
von der Ansicht, der Hauptmann wäre seiner unbefugten
Abreise aus Dalmatien wegen den venetianischen Blei¬
dächern verfallen. Eine Vermuthung, die ich bei dem
eine höchste Kulturstufe erreichenden venetianischen Ge¬

Waſer, dem dieſe myſtiſchen Gedankengänge ſehr
ferne lagen und aus dem Munde ſeines ſonſt ſo kalten,
diplomatiſchen Gaſtfreundes befremdlich klangen, bemäch¬
tigte ſich jetzt der Rede, um in ein glänzendes Lob der
Republik von San Marco auszubrechen, die, einzig in
Italien, mit der Staatsweisheit und dem Rechtsſinne
der alten Roma eine Parallele bilde.

„Was die Fabeleien von willkürlicher Juſtiz und
geheimen nächtlichen Hinrichtungen betrifft, ſo bin ich
nicht der Mann, mein verehrter Gaſtfreund, an ſolche
Märlein zu glauben,“ ſchloß der Zürcher, erfreut mit
einer, wie er überzeugt war, ungezwungenen Wendung
an das heiß erwünſchte Ziel zu gelangen, „und darum
kann ich ganz ohne Rückhalt ein mir unerklärliches
Ereigniß mit Euch beſprechen, daß ſich geſtern im Canal
grande begab und wobei mein Jugendfreund, der Haupt¬
mann in venetianiſchen Dienſten Georg Jenatſch, ohne
Spur verſchwunden ſein ſoll. Die durchlauchtige Frau
Herzogin Rohan, welche die Gnade hatte mich mit dem
Vorfall bekannt zu machen, ſchien mir, ſoweit ich ihre
Andeutungen zu faſſen vermochte, nicht ferne zu ſein
von der Anſicht, der Hauptmann wäre ſeiner unbefugten
Abreiſe aus Dalmatien wegen den venetianiſchen Blei¬
dächern verfallen. Eine Vermuthung, die ich bei dem
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[188/0198] Waſer, dem dieſe myſtiſchen Gedankengänge ſehr ferne lagen und aus dem Munde ſeines ſonſt ſo kalten, diplomatiſchen Gaſtfreundes befremdlich klangen, bemäch¬ tigte ſich jetzt der Rede, um in ein glänzendes Lob der Republik von San Marco auszubrechen, die, einzig in Italien, mit der Staatsweisheit und dem Rechtsſinne der alten Roma eine Parallele bilde. „Was die Fabeleien von willkürlicher Juſtiz und geheimen nächtlichen Hinrichtungen betrifft, ſo bin ich nicht der Mann, mein verehrter Gaſtfreund, an ſolche Märlein zu glauben,“ ſchloß der Zürcher, erfreut mit einer, wie er überzeugt war, ungezwungenen Wendung an das heiß erwünſchte Ziel zu gelangen, „und darum kann ich ganz ohne Rückhalt ein mir unerklärliches Ereigniß mit Euch beſprechen, daß ſich geſtern im Canal grande begab und wobei mein Jugendfreund, der Haupt¬ mann in venetianiſchen Dienſten Georg Jenatſch, ohne Spur verſchwunden ſein ſoll. Die durchlauchtige Frau Herzogin Rohan, welche die Gnade hatte mich mit dem Vorfall bekannt zu machen, ſchien mir, ſoweit ich ihre Andeutungen zu faſſen vermochte, nicht ferne zu ſein von der Anſicht, der Hauptmann wäre ſeiner unbefugten Abreiſe aus Dalmatien wegen den venetianiſchen Blei¬ dächern verfallen. Eine Vermuthung, die ich bei dem eine höchſte Kulturſtufe erreichenden venetianiſchen Ge¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/198>, abgerufen am 24.11.2024.