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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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auf dem Mist und Seine Hochwürden den Herrn An¬
tistes einen steif gehörnten Farren nannte.

Der Hauptmann, der diese tollen und geschmack¬
losen Ausfälle der Eingebung des Weines zuschrieb,
wie sie sich bei dieser ehrgeizigen und auf jedes fremde
Verdienst eifersüchtigen Natur äußerte, ließ den jungen
Offizier, der den Gegenstand nicht erschöpfen konnte und
dem darüber die Zeit verging, seine Laune weidlich
tummeln und blieb dabei, Zürich habe in den letzten
gefahrvollen Zeiten ebenso viel Klugheit als Festigkeit
gezeigt und wenn es sich mit dem Schilde vorsichtiger
Neutralität gedeckt, sei das, wie der Schweiz, so Grau¬
bünden zu Statten gekommen.

Dann trat der in Venedig sich unsicher fühlende
Bündner, welcher, ohne daß Wertmüller es ahnte, Allem
was im Bereiche seines geübten und weittragenden
Auges sich begab, die schärfste Aufmerksamkeit zuwandte
und auch in dieser abgelegenen Locanda keine Rast fand,
hinaus an den schmalen Strand, ohne auf Wertmüllers
spöttisches Gelächter zu achten.

"Neutralität!" rief dieser dem Hauptmann in die
Gondel nachspringend aus. "Da hat mir der Witz
des Zufalls ein Zettelchen in die Hand gespielt, das
für unsere aufrichtige, streng abgewogene Neutralität
und nebenbei für unsre schlichte Bürgertugend ein rüh¬

auf dem Miſt und Seine Hochwürden den Herrn An¬
tiſtes einen ſteif gehörnten Farren nannte.

Der Hauptmann, der dieſe tollen und geſchmack¬
loſen Ausfälle der Eingebung des Weines zuſchrieb,
wie ſie ſich bei dieſer ehrgeizigen und auf jedes fremde
Verdienſt eiferſüchtigen Natur äußerte, ließ den jungen
Offizier, der den Gegenſtand nicht erſchöpfen konnte und
dem darüber die Zeit verging, ſeine Laune weidlich
tummeln und blieb dabei, Zürich habe in den letzten
gefahrvollen Zeiten ebenſo viel Klugheit als Feſtigkeit
gezeigt und wenn es ſich mit dem Schilde vorſichtiger
Neutralität gedeckt, ſei das, wie der Schweiz, ſo Grau¬
bünden zu Statten gekommen.

Dann trat der in Venedig ſich unſicher fühlende
Bündner, welcher, ohne daß Wertmüller es ahnte, Allem
was im Bereiche ſeines geübten und weittragenden
Auges ſich begab, die ſchärfſte Aufmerkſamkeit zuwandte
und auch in dieſer abgelegenen Locanda keine Raſt fand,
hinaus an den ſchmalen Strand, ohne auf Wertmüllers
ſpöttiſches Gelächter zu achten.

„Neutralität!“ rief dieſer dem Hauptmann in die
Gondel nachſpringend aus. „Da hat mir der Witz
des Zufalls ein Zettelchen in die Hand geſpielt, das
für unſere aufrichtige, ſtreng abgewogene Neutralität
und nebenbei für unſre ſchlichte Bürgertugend ein rüh¬

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[159/0169] auf dem Miſt und Seine Hochwürden den Herrn An¬ tiſtes einen ſteif gehörnten Farren nannte. Der Hauptmann, der dieſe tollen und geſchmack¬ loſen Ausfälle der Eingebung des Weines zuſchrieb, wie ſie ſich bei dieſer ehrgeizigen und auf jedes fremde Verdienſt eiferſüchtigen Natur äußerte, ließ den jungen Offizier, der den Gegenſtand nicht erſchöpfen konnte und dem darüber die Zeit verging, ſeine Laune weidlich tummeln und blieb dabei, Zürich habe in den letzten gefahrvollen Zeiten ebenſo viel Klugheit als Feſtigkeit gezeigt und wenn es ſich mit dem Schilde vorſichtiger Neutralität gedeckt, ſei das, wie der Schweiz, ſo Grau¬ bünden zu Statten gekommen. Dann trat der in Venedig ſich unſicher fühlende Bündner, welcher, ohne daß Wertmüller es ahnte, Allem was im Bereiche ſeines geübten und weittragenden Auges ſich begab, die ſchärfſte Aufmerkſamkeit zuwandte und auch in dieſer abgelegenen Locanda keine Raſt fand, hinaus an den ſchmalen Strand, ohne auf Wertmüllers ſpöttiſches Gelächter zu achten. „Neutralität!“ rief dieſer dem Hauptmann in die Gondel nachſpringend aus. „Da hat mir der Witz des Zufalls ein Zettelchen in die Hand geſpielt, das für unſere aufrichtige, ſtreng abgewogene Neutralität und nebenbei für unſre ſchlichte Bürgertugend ein rüh¬

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/169>, abgerufen am 26.11.2024.