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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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Himmel und was darinnen ist läßt sich nicht mit Linien
und Farben darstellen."

Bei den Worten der Herzogin wagte es der kleine
Wertmüller hinter dem Rücken der Dame seinem Lands¬
manne Waser einen spöttischen Blick zuzuwerfen, worüber
dieser in Entsetzen gerathen wäre, wenn nicht Beide
nun plötzlich den Fremden wahrgenommen hätten, wel¬
chem Wertmüller schon eine Stunde früher auf der
Schwelle des Zuckerbäckers begegnet war.

"Für den heiligen Georg, gnädigste Frau, muß ich
ein Wort einlegen," sagte jetzt, aus dem Schatten tre¬
tend und vor der Herzogin sich verbeugend, Hauptmann
Jenatsch. "Ich bin ein erprobter Protestant; wenig¬
stens habe ich für die reine Lehre geblutet; doch zu
St. Jürg, meinem Namenspatron, halt' ich jeweilen
Andacht. Der heilige Drachentödter befreite vor Zeiten
mit seiner tapfern Lanze das kappadocische Königstöch¬
terlein. Ich aber weiß ein viel beklagenswertheres Weib,
das an den starren Felsen geschmiedet und von den
Krallen eines feuerspeienden Drachen zerfleischt, den
vom Himmel gesandten Retter mit Sehnsucht erwartet.
Die edle Magd, sie ist mein armes Vaterland, die Re¬
publik der drei Bünde; der sie aber aus den Klauen
des spanischen Lindwurms reißen wird, ihr siegreicher
St. Georg, steht leibhaftig vor mir."

Himmel und was darinnen iſt läßt ſich nicht mit Linien
und Farben darſtellen.“

Bei den Worten der Herzogin wagte es der kleine
Wertmüller hinter dem Rücken der Dame ſeinem Lands¬
manne Waſer einen ſpöttiſchen Blick zuzuwerfen, worüber
dieſer in Entſetzen gerathen wäre, wenn nicht Beide
nun plötzlich den Fremden wahrgenommen hätten, wel¬
chem Wertmüller ſchon eine Stunde früher auf der
Schwelle des Zuckerbäckers begegnet war.

„Für den heiligen Georg, gnädigſte Frau, muß ich
ein Wort einlegen,“ ſagte jetzt, aus dem Schatten tre¬
tend und vor der Herzogin ſich verbeugend, Hauptmann
Jenatſch. „Ich bin ein erprobter Proteſtant; wenig¬
ſtens habe ich für die reine Lehre geblutet; doch zu
St. Jürg, meinem Namenspatron, halt' ich jeweilen
Andacht. Der heilige Drachentödter befreite vor Zeiten
mit ſeiner tapfern Lanze das kappadociſche Königstöch¬
terlein. Ich aber weiß ein viel beklagenswertheres Weib,
das an den ſtarren Felſen geſchmiedet und von den
Krallen eines feuerſpeienden Drachen zerfleiſcht, den
vom Himmel geſandten Retter mit Sehnſucht erwartet.
Die edle Magd, ſie iſt mein armes Vaterland, die Re¬
publik der drei Bünde; der ſie aber aus den Klauen
des ſpaniſchen Lindwurms reißen wird, ihr ſiegreicher
St. Georg, ſteht leibhaftig vor mir.“

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[143/0153] Himmel und was darinnen iſt läßt ſich nicht mit Linien und Farben darſtellen.“ Bei den Worten der Herzogin wagte es der kleine Wertmüller hinter dem Rücken der Dame ſeinem Lands¬ manne Waſer einen ſpöttiſchen Blick zuzuwerfen, worüber dieſer in Entſetzen gerathen wäre, wenn nicht Beide nun plötzlich den Fremden wahrgenommen hätten, wel¬ chem Wertmüller ſchon eine Stunde früher auf der Schwelle des Zuckerbäckers begegnet war. „Für den heiligen Georg, gnädigſte Frau, muß ich ein Wort einlegen,“ ſagte jetzt, aus dem Schatten tre¬ tend und vor der Herzogin ſich verbeugend, Hauptmann Jenatſch. „Ich bin ein erprobter Proteſtant; wenig¬ ſtens habe ich für die reine Lehre geblutet; doch zu St. Jürg, meinem Namenspatron, halt' ich jeweilen Andacht. Der heilige Drachentödter befreite vor Zeiten mit ſeiner tapfern Lanze das kappadociſche Königstöch¬ terlein. Ich aber weiß ein viel beklagenswertheres Weib, das an den ſtarren Felſen geſchmiedet und von den Krallen eines feuerſpeienden Drachen zerfleiſcht, den vom Himmel geſandten Retter mit Sehnſucht erwartet. Die edle Magd, ſie iſt mein armes Vaterland, die Re¬ publik der drei Bünde; der ſie aber aus den Klauen des ſpaniſchen Lindwurms reißen wird, ihr ſiegreicher St. Georg, ſteht leibhaftig vor mir.“

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/153>, abgerufen am 28.11.2024.