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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876.

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eine hübsche Beute habe ich gemacht und Dein Theil
daran, Lorenz, ist Dir wie immer gewiß. Ich bin nicht
Jenatsch, wenn ich je vergesse, daß Du mich aus Deinem
schmalen Erbe in den ersten Harnisch gesteckt und auf
einen Kriegsgaul gesetzt hast."

"Ein dankbares Gemüth ist ein ebenso schönes als
seltenes Juwel", sagte Fausch erfreut, "aber wo drückt
Euch denn der Schuh, Hauptmann Jenatsch, wenn Ihr
Ruhm und Beute vollauf zurückbringt?

"Ich bin noch mit dem letzten Schritte in eine Falle
meines tückischen Schicksals getreten", versetzte der
Hauptmann, die Brauen schmerzlich zusammen ziehend.
"Gestern Mittag landete meine Brigantine an der Riva,
ich meldete mich pflichtschuldig bei dem Provveditore,
der mich, da ich seine besondere Gunst nicht besitze, ohne
Weiteres zu meinem Regiment nach Padua beorderte.
Dort langte ich bei einbrechender Nacht an und fand
meinen Obersten in einer Locanda eine halbe Meile
vor dem Thore, aufgeregt von Becher und Würfel und
in bestialischer Laune. Er stand gerade mit roth glühen¬
dem Gesicht am Fenster, um Luft zu schöpfen, als ich
vorritt. "Prächtig!" schrie er mich an, "da weht uns
der Teufel noch sein Schooßkind den Jenatsch her!
Herauf, Hauptmann, mit Eurem vollen Beutel aus

eine hübſche Beute habe ich gemacht und Dein Theil
daran, Lorenz, iſt Dir wie immer gewiß. Ich bin nicht
Jenatſch, wenn ich je vergeſſe, daß Du mich aus Deinem
ſchmalen Erbe in den erſten Harniſch geſteckt und auf
einen Kriegsgaul geſetzt haſt.“

„Ein dankbares Gemüth iſt ein ebenſo ſchönes als
ſeltenes Juwel“, ſagte Fauſch erfreut, „aber wo drückt
Euch denn der Schuh, Hauptmann Jenatſch, wenn Ihr
Ruhm und Beute vollauf zurückbringt?

„Ich bin noch mit dem letzten Schritte in eine Falle
meines tückiſchen Schickſals getreten“, verſetzte der
Hauptmann, die Brauen ſchmerzlich zuſammen ziehend.
„Geſtern Mittag landete meine Brigantine an der Riva,
ich meldete mich pflichtſchuldig bei dem Provveditore,
der mich, da ich ſeine beſondere Gunſt nicht beſitze, ohne
Weiteres zu meinem Regiment nach Padua beorderte.
Dort langte ich bei einbrechender Nacht an und fand
meinen Oberſten in einer Locanda eine halbe Meile
vor dem Thore, aufgeregt von Becher und Würfel und
in beſtialiſcher Laune. Er ſtand gerade mit roth glühen¬
dem Geſicht am Fenſter, um Luft zu ſchöpfen, als ich
vorritt. „Prächtig!“ ſchrie er mich an, „da weht uns
der Teufel noch ſein Schooßkind den Jenatſch her!
Herauf, Hauptmann, mit Eurem vollen Beutel aus

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[130/0140] eine hübſche Beute habe ich gemacht und Dein Theil daran, Lorenz, iſt Dir wie immer gewiß. Ich bin nicht Jenatſch, wenn ich je vergeſſe, daß Du mich aus Deinem ſchmalen Erbe in den erſten Harniſch geſteckt und auf einen Kriegsgaul geſetzt haſt.“ „Ein dankbares Gemüth iſt ein ebenſo ſchönes als ſeltenes Juwel“, ſagte Fauſch erfreut, „aber wo drückt Euch denn der Schuh, Hauptmann Jenatſch, wenn Ihr Ruhm und Beute vollauf zurückbringt? „Ich bin noch mit dem letzten Schritte in eine Falle meines tückiſchen Schickſals getreten“, verſetzte der Hauptmann, die Brauen ſchmerzlich zuſammen ziehend. „Geſtern Mittag landete meine Brigantine an der Riva, ich meldete mich pflichtſchuldig bei dem Provveditore, der mich, da ich ſeine beſondere Gunſt nicht beſitze, ohne Weiteres zu meinem Regiment nach Padua beorderte. Dort langte ich bei einbrechender Nacht an und fand meinen Oberſten in einer Locanda eine halbe Meile vor dem Thore, aufgeregt von Becher und Würfel und in beſtialiſcher Laune. Er ſtand gerade mit roth glühen¬ dem Geſicht am Fenſter, um Luft zu ſchöpfen, als ich vorritt. „Prächtig!“ ſchrie er mich an, „da weht uns der Teufel noch ſein Schooßkind den Jenatſch her! Herauf, Hauptmann, mit Eurem vollen Beutel aus

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/140>, abgerufen am 29.11.2024.