sonst keinem Vertriebenen versagt. Beim Pokale auf den Zünften hatte die junge Bürgerschaft den bündnerischen Tellen, so nannte man die Mörder des Herrn Pom¬ pejus Planta, stürmisch zugejauchzt, jetzt aber streckten sich den Flüchtigen nur wenige Hände entgegen. Man ersuchte sie, sich stille in den Häusern zu halten, damit in Wien ihre Anwesenheit geleugnet werden könne. Die Geister waren von dunklen Ahnungen erschreckt, dreißig kommende Kriegsjahre warfen ihren Schatten vor sich her.
Eines Tages verließ Waser ernster als gewöhnlich und in tief bewegter Stimmung das Haus seiner jungen Braut, die er nächstens heimführen sollte und in deren angesehener Familie er das Abendbrod einzunehmen pflegte. Hier ließ er sonst die Staatssorgen vor der Thür und freute sich in Züchten des Lebens; heute aber quoll ihm der Bissen im Munde. Sein Schwager, ein junger Geistlicher, hatte aus der eben versammelten Synode eine ergreifende Nachricht nach Hause gebracht. Von seiner Hochwürden dem Antistes war ein Schreiben verlesen worden mit der Nachricht von dem standhaften Ende des Märtyrers Blasius Alexander. Da wurde ausführlich von einem seiner Kerkergenossen erzählt, wie man ihn auf der Flucht ergriffen und nach Innsbruck gebracht habe; wie er sich in der Gefangenschaft
Meyer, Georg Jenatsch. 8
ſonſt keinem Vertriebenen verſagt. Beim Pokale auf den Zünften hatte die junge Bürgerſchaft den bündneriſchen Tellen, ſo nannte man die Mörder des Herrn Pom¬ pejus Planta, ſtürmiſch zugejauchzt, jetzt aber ſtreckten ſich den Flüchtigen nur wenige Hände entgegen. Man erſuchte ſie, ſich ſtille in den Häuſern zu halten, damit in Wien ihre Anweſenheit geleugnet werden könne. Die Geiſter waren von dunklen Ahnungen erſchreckt, dreißig kommende Kriegsjahre warfen ihren Schatten vor ſich her.
Eines Tages verließ Waſer ernſter als gewöhnlich und in tief bewegter Stimmung das Haus ſeiner jungen Braut, die er nächſtens heimführen ſollte und in deren angeſehener Familie er das Abendbrod einzunehmen pflegte. Hier ließ er ſonſt die Staatsſorgen vor der Thür und freute ſich in Züchten des Lebens; heute aber quoll ihm der Biſſen im Munde. Sein Schwager, ein junger Geiſtlicher, hatte aus der eben verſammelten Synode eine ergreifende Nachricht nach Hauſe gebracht. Von ſeiner Hochwürden dem Antiſtes war ein Schreiben verleſen worden mit der Nachricht von dem ſtandhaften Ende des Märtyrers Blaſius Alexander. Da wurde ausführlich von einem ſeiner Kerkergenoſſen erzählt, wie man ihn auf der Flucht ergriffen und nach Innsbruck gebracht habe; wie er ſich in der Gefangenſchaft
Meyer, Georg Jenatſch. 8
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ſonſt keinem Vertriebenen verſagt. Beim Pokale auf den
Zünften hatte die junge Bürgerſchaft den bündneriſchen
Tellen, ſo nannte man die Mörder des Herrn Pom¬
pejus Planta, ſtürmiſch zugejauchzt, jetzt aber ſtreckten
ſich den Flüchtigen nur wenige Hände entgegen. Man
erſuchte ſie, ſich ſtille in den Häuſern zu halten, damit
in Wien ihre Anweſenheit geleugnet werden könne.
Die Geiſter waren von dunklen Ahnungen erſchreckt,
dreißig kommende Kriegsjahre warfen ihren Schatten
vor ſich her.
Eines Tages verließ Waſer ernſter als gewöhnlich
und in tief bewegter Stimmung das Haus ſeiner jungen
Braut, die er nächſtens heimführen ſollte und in deren
angeſehener Familie er das Abendbrod einzunehmen
pflegte. Hier ließ er ſonſt die Staatsſorgen vor der
Thür und freute ſich in Züchten des Lebens; heute aber
quoll ihm der Biſſen im Munde. Sein Schwager, ein
junger Geiſtlicher, hatte aus der eben verſammelten
Synode eine ergreifende Nachricht nach Hauſe gebracht.
Von ſeiner Hochwürden dem Antiſtes war ein Schreiben
verleſen worden mit der Nachricht von dem ſtandhaften
Ende des Märtyrers Blaſius Alexander. Da wurde
ausführlich von einem ſeiner Kerkergenoſſen erzählt, wie
man ihn auf der Flucht ergriffen und nach Innsbruck
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/123>, abgerufen am 27.11.2024.
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