Landungsstelle haften geblieben. Es ergoß sich dort zwischen steilen, mit Hollunderbüschen und Wurzelwerk überwucherten Borden ein Bach in den See, ein stilles und durchsichtiges Wässerchen, dessen unterhöhlte aus¬ gewaschene Ufer aber verriethen, wie heftig es im Früh¬ jahr toben konnte. Von der Anhöhe blickte ein Land¬ haus herab. Dort unter den Bäumen stampfte ein kleiner ungeduldiger Junge mit Degen und Federhütchen auf dem schattigen Rasen herum, während die würdige Gestalt eines Präceptors beschwichtigend daneben stand.
"Hoheho, hieher Lehmann! Ich will in die Stadt!" schrie der Kleine, während sein Mentor ein Tuch aus der Tasche zog, um das Boot heranzuwinken.
Ueberflüssige Bemühung! Der alte Lehmann hatte schon mit dem Rufe: "Aha, der Junker Wertmüller vom Wampispach!" sein Schiff der Nußbaumgruppe zu¬ gelenkt und das Bret zum Einsteigen bereit gemacht.
Nach wenigen Minuten saß der zapplige Kleine auf der Ehrenbank zwischen seinem Erzieher und Herrn Waser, deren Beinbekleidung er mit seinen unruhigen Füßen, die den Boden des Schiffes noch nicht erreichten, muthwillig und unaufhörlich in Gefahr brachte.
Herr Verbi divini Minister Denzler, so nannte sich der Erzieher, ließ sich mit Waser über den Junker hinweg in ein lispelndes Gespräch ein. Er beklagte höchlich die
Landungsſtelle haften geblieben. Es ergoß ſich dort zwiſchen ſteilen, mit Hollunderbüſchen und Wurzelwerk überwucherten Borden ein Bach in den See, ein ſtilles und durchſichtiges Wäſſerchen, deſſen unterhöhlte aus¬ gewaſchene Ufer aber verriethen, wie heftig es im Früh¬ jahr toben konnte. Von der Anhöhe blickte ein Land¬ haus herab. Dort unter den Bäumen ſtampfte ein kleiner ungeduldiger Junge mit Degen und Federhütchen auf dem ſchattigen Raſen herum, während die würdige Geſtalt eines Präceptors beſchwichtigend daneben ſtand.
„Hoheho, hieher Lehmann! Ich will in die Stadt!“ ſchrie der Kleine, während ſein Mentor ein Tuch aus der Taſche zog, um das Boot heranzuwinken.
Ueberflüſſige Bemühung! Der alte Lehmann hatte ſchon mit dem Rufe: „Aha, der Junker Wertmüller vom Wampiſpach!“ ſein Schiff der Nußbaumgruppe zu¬ gelenkt und das Bret zum Einſteigen bereit gemacht.
Nach wenigen Minuten ſaß der zapplige Kleine auf der Ehrenbank zwiſchen ſeinem Erzieher und Herrn Waſer, deren Beinbekleidung er mit ſeinen unruhigen Füßen, die den Boden des Schiffes noch nicht erreichten, muthwillig und unaufhörlich in Gefahr brachte.
Herr Verbi divini Miniſter Denzler, ſo nannte ſich der Erzieher, ließ ſich mit Waſer über den Junker hinweg in ein lispelndes Geſpräch ein. Er beklagte höchlich die
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Landungsſtelle haften geblieben. Es ergoß ſich dort
zwiſchen ſteilen, mit Hollunderbüſchen und Wurzelwerk
überwucherten Borden ein Bach in den See, ein ſtilles
und durchſichtiges Wäſſerchen, deſſen unterhöhlte aus¬
gewaſchene Ufer aber verriethen, wie heftig es im Früh¬
jahr toben konnte. Von der Anhöhe blickte ein Land¬
haus herab. Dort unter den Bäumen ſtampfte ein kleiner
ungeduldiger Junge mit Degen und Federhütchen auf dem
ſchattigen Raſen herum, während die würdige Geſtalt
eines Präceptors beſchwichtigend daneben ſtand.
„Hoheho, hieher Lehmann! Ich will in die Stadt!“
ſchrie der Kleine, während ſein Mentor ein Tuch aus
der Taſche zog, um das Boot heranzuwinken.
Ueberflüſſige Bemühung! Der alte Lehmann hatte
ſchon mit dem Rufe: „Aha, der Junker Wertmüller
vom Wampiſpach!“ ſein Schiff der Nußbaumgruppe zu¬
gelenkt und das Bret zum Einſteigen bereit gemacht.
Nach wenigen Minuten ſaß der zapplige Kleine
auf der Ehrenbank zwiſchen ſeinem Erzieher und Herrn
Waſer, deren Beinbekleidung er mit ſeinen unruhigen
Füßen, die den Boden des Schiffes noch nicht erreichten,
muthwillig und unaufhörlich in Gefahr brachte.
Herr Verbi divini Miniſter Denzler, ſo nannte ſich
der Erzieher, ließ ſich mit Waſer über den Junker hinweg
in ein lispelndes Geſpräch ein. Er beklagte höchlich die
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Meyer, Conrad Ferdinand: Georg Jenatsch. Leipzig, 1876, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_jenatsch_1876/113>, abgerufen am 24.11.2024.
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