449 Appius Claudius, nach der Alleinherrschaft strebend, behält die Gewalt widerrechtlich im dritten Jahr. Seine Gewalttätigkeit (Siccius, Virginia) führt zur 2. Secessio in montem sacrum. Rückkehr der Plebs auf Grund der Leges Horatiae Valeriae, welche im Princip die völlige Demokratie ein- führen. Sie setzen fest, dass 1) die alte Verfassung mit Consuln und Tribunen wieder her- gestellt werde; 2) die Beschlüsse der Tributcomitien allgemeine Gültigkeit haben, d. h. auch für die Patricier (ut quod plebs tributim iussisset, populum teneret, Liv. 3, 55); 3) von jedem Magistrat die Appellation an das Volk gestattet ist (ne quis ullum magistratum sine provocatione crearet). 445 Lex Canuleja: Die Patricier gewähren den Plebejern conubium, sowie das Recht auf Wahl zu tribuni militum consulari potestate. 444--367 Die Consuln meist durch (6) tribuni militum consulari potestate ersetzt: die Censur abgetrennt vom Consulat: die Amtsdauer der zwei Censoren 1 1/2 Jahr. Der Censor, in seinen Massregeln nur an sein Gewissen und an die Zustimmung seines Kollegen gebunden, hatte folgende Befugnisse: 1) Die Vornahme des Census (censum agere) d. h. der Ein- schätzung in die Vermögensklassen (descriptio classium et centuriarum), wobei auch die recognitio equitum d. h. die Fest- stellung der Rittercenturien stattfand. 2) Die Aufsicht über die Sitten (regimen morum disciplinaeque) d. h. die Befugnis, sittlich tadelnswerte Handlungen, die strafrechtlich nicht geahndet werden konnten, durch Bemer- kungen in den Bürgerverzeichnissen (nota, notatio, animad- versio censoria) mit Angabe des Grundes (subscriptio) zu rügen und auf Grund derselben tribu movere, d. h. aus einer tribus rustica (in denen die Patricier waren) in eine tribus urbana zu versetzen oder ganz aus den Tribus zu streichen: aerarium facere, in Caeritum tabulas referre. 3) Die Zusammensetzung des Senats, lectio senatus. Der Senat, seit der Königszeit auf der Zahl von 300 Mit- gliedern erhalten, ursprünglich vorzugsweise patricisch, aber schon in der späteren Königszeit Plebejer als Mitglieder zählend, wurde in der Regel ergänzt durch gewesene curulische Beamte (curulische Aedilen, Prätoren, Con- suln); später kamen die gewesenen Volkstribunen, plebejischen Aedilen und Quästoren hinzu; diese wurden durch die nächste lectio senatus, falls sie vom Censor würdig befunden wurden, Senatoren; bis dahin hatten sie, die Quästoren ausgenommen, nur das Recht sententiae in senatu dicendae. Die Censoren durften auch andere, die nicht ein Amt be-
449 Appius Claudius, nach der Alleinherrschaft strebend, behält die Gewalt widerrechtlich im dritten Jahr. Seine Gewalttätigkeit (Siccius, Virginia) führt zur 2. Secessio in montem sacrum. Rückkehr der Plebs auf Grund der Leges Horatiae Valeriae, welche im Princip die völlige Demokratie ein- führen. Sie setzen fest, daſs 1) die alte Verfassung mit Consuln und Tribunen wieder her- gestellt werde; 2) die Beschlüsse der Tributcomitien allgemeine Gültigkeit haben, d. h. auch für die Patricier (ut quod plebs tributim iussisset, populum teneret, Liv. 3, 55); 3) von jedem Magistrat die Appellation an das Volk gestattet ist (ne quis ullum magistratum sine provocatione crearet). 445 Lex Canuleja: Die Patricier gewähren den Plebejern conubium, sowie das Recht auf Wahl zu tribuni militum consulari potestate. 444—367 Die Consuln meist durch (6) tribuni militum consulari potestate ersetzt: die Censur abgetrennt vom Consulat: die Amtsdauer der zwei Censoren 1 ½ Jahr. Der Censor, in seinen Maſsregeln nur an sein Gewissen und an die Zustimmung seines Kollegen gebunden, hatte folgende Befugnisse: 1) Die Vornahme des Census (censum agere) d. h. der Ein- schätzung in die Vermögensklassen (descriptio classium et centuriarum), wobei auch die recognitio equitum d. h. die Fest- stellung der Rittercenturien stattfand. 2) Die Aufsicht über die Sitten (regimen morum disciplinaeque) d. h. die Befugnis, sittlich tadelnswerte Handlungen, die strafrechtlich nicht geahndet werden konnten, durch Bemer- kungen in den Bürgerverzeichnissen (nota, notatio, animad- versio censoria) mit Angabe des Grundes (subscriptio) zu rügen und auf Grund derselben tribu movere, d. h. aus einer tribus rustica (in denen die Patricier waren) in eine tribus urbana zu versetzen oder ganz aus den Tribus zu streichen: aerarium facere, in Caeritum tabulas referre. 3) Die Zusammensetzung des Senats, lectio senatus. Der Senat, seit der Königszeit auf der Zahl von 300 Mit- gliedern erhalten, ursprünglich vorzugsweise patricisch, aber schon in der späteren Königszeit Plebejer als Mitglieder zählend, wurde in der Regel ergänzt durch gewesene curulische Beamte (curulische Aedilen, Prätoren, Con- suln); später kamen die gewesenen Volkstribunen, plebejischen Aedilen und Quästoren hinzu; diese wurden durch die nächste lectio senatus, falls sie vom Censor würdig befunden wurden, Senatoren; bis dahin hatten sie, die Quästoren ausgenommen, nur das Recht sententiae in senatu dicendae. Die Censoren durften auch andere, die nicht ein Amt be-
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449 Appius Claudius, nach der Alleinherrschaft strebend, behält
die Gewalt widerrechtlich im dritten Jahr. Seine
Gewalttätigkeit (Siccius, Virginia) führt zur 2. Secessio
in montem sacrum.
Rückkehr der Plebs auf Grund der Leges Horatiae
Valeriae, welche im Princip die völlige Demokratie ein-
führen.
Sie setzen fest, daſs
1) die alte Verfassung mit Consuln und Tribunen wieder her-
gestellt werde;
2) die Beschlüsse der Tributcomitien allgemeine
Gültigkeit haben, d. h. auch für die Patricier (ut
quod plebs tributim iussisset, populum teneret, Liv. 3, 55);
3) von jedem Magistrat die Appellation an das Volk
gestattet ist (ne quis ullum magistratum sine provocatione
crearet).
445 Lex Canuleja: Die Patricier gewähren den Plebejern
conubium, sowie das Recht auf Wahl zu tribuni militum
consulari potestate.
444—367 Die Consuln meist durch (6) tribuni militum consulari potestate
ersetzt: die Censur abgetrennt vom Consulat: die
Amtsdauer der zwei Censoren 1 ½ Jahr.
Der Censor, in seinen Maſsregeln nur an sein Gewissen und
an die Zustimmung seines Kollegen gebunden, hatte folgende
Befugnisse:
1) Die Vornahme des Census (censum agere) d. h. der Ein-
schätzung in die Vermögensklassen (descriptio classium et
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2) Die Aufsicht über die Sitten (regimen morum disciplinaeque)
d. h. die Befugnis, sittlich tadelnswerte Handlungen, die
strafrechtlich nicht geahndet werden konnten, durch Bemer-
kungen in den Bürgerverzeichnissen (nota, notatio, animad-
versio censoria) mit Angabe des Grundes (subscriptio) zu rügen
und auf Grund derselben tribu movere, d. h. aus einer
tribus rustica (in denen die Patricier waren) in eine
tribus urbana zu versetzen oder ganz aus den Tribus zu
streichen: aerarium facere, in Caeritum tabulas
referre.
3) Die Zusammensetzung des Senats, lectio senatus.
Der Senat, seit der Königszeit auf der Zahl von 300 Mit-
gliedern erhalten, ursprünglich vorzugsweise patricisch, aber
schon in der späteren Königszeit Plebejer als Mitglieder
zählend, wurde in der Regel ergänzt durch gewesene
curulische Beamte (curulische Aedilen, Prätoren, Con-
suln); später kamen die gewesenen Volkstribunen,
plebejischen Aedilen und Quästoren hinzu; diese
wurden durch die nächste lectio senatus, falls sie vom Censor
würdig befunden wurden, Senatoren; bis dahin hatten sie,
die Quästoren ausgenommen, nur das Recht sententiae in senatu
dicendae.
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Meyer, Edmund: Alte Geschichte. Berlin, 1890 (= Leitfaden der Geschichte in Tabellenform, Bd. 1), S. â 72 â. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_geschichte_1890/82>, abgerufen am 17.02.2025.
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