Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Die alte Brücke.
Dein Bogen, grauer Zeit entstammt,
Steht manch Jahrhundert außer Amt;
Ein neuer Bau ragt über dir:
Dort fahren sie! Du feierst hier.
Die Straße, die getragen du,
Deckt Wuchs und rothe Blüthe zu!
Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos,
Er steigt aus dumpfem Reußgetos:
Mit einem luftgewobnen Kleid
Umschleiert dich Vergangenheit
Und statt des Lebens geht der Traum
Auf deines Pfades engem Raum.
Das Carmen, das der Schüler sang,
Träumt noch im Felsenwiederklang,
Gewieher und Drommetenhall
Träumt und verdröhnt im Wogenschwall.
Der Kaiser ritt auf deinem Steg,
Du warst nach Rom der arge Weg,
Und Parricida, frevelblaß,
Ward hier vom Staub der Welle naß!
Die alte Brücke.
Dein Bogen, grauer Zeit entſtammt,
Steht manch Jahrhundert außer Amt;
Ein neuer Bau ragt über dir:
Dort fahren ſie! Du feierſt hier.
Die Straße, die getragen du,
Deckt Wuchs und rothe Blüthe zu!
Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos,
Er ſteigt aus dumpfem Reußgetos:
Mit einem luftgewobnen Kleid
Umſchleiert dich Vergangenheit
Und ſtatt des Lebens geht der Traum
Auf deines Pfades engem Raum.
Das Carmen, das der Schüler ſang,
Träumt noch im Felſenwiederklang,
Gewieher und Drommetenhall
Träumt und verdröhnt im Wogenſchwall.
Der Kaiſer ritt auf deinem Steg,
Du warſt nach Rom der arge Weg,
Und Parricida, frevelblaß,
Ward hier vom Staub der Welle naß!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0096" n="82"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Die alte Brücke.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Dein Bogen, grauer Zeit ent&#x017F;tammt,</l><lb/>
              <l>Steht manch Jahrhundert außer Amt;</l><lb/>
              <l>Ein neuer Bau ragt über dir:</l><lb/>
              <l>Dort fahren &#x017F;ie! Du feier&#x017F;t hier.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Die Straße, die getragen du,</l><lb/>
              <l>Deckt Wuchs und rothe Blüthe zu!</l><lb/>
              <l>Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos,</l><lb/>
              <l>Er &#x017F;teigt aus dumpfem Reußgetos:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Mit einem luftgewobnen Kleid</l><lb/>
              <l>Um&#x017F;chleiert dich Vergangenheit</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tatt des Lebens geht der Traum</l><lb/>
              <l>Auf deines Pfades engem Raum.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Das Carmen, das der Schüler &#x017F;ang,</l><lb/>
              <l>Träumt noch im Fel&#x017F;enwiederklang,</l><lb/>
              <l>Gewieher und Drommetenhall</l><lb/>
              <l>Träumt und verdröhnt im Wogen&#x017F;chwall.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Der Kai&#x017F;er ritt auf deinem Steg,</l><lb/>
              <l>Du war&#x017F;t nach Rom der arge Weg,</l><lb/>
              <l>Und Parricida, frevelblaß,</l><lb/>
              <l>Ward hier vom Staub der Welle naß!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0096] Die alte Brücke. Dein Bogen, grauer Zeit entſtammt, Steht manch Jahrhundert außer Amt; Ein neuer Bau ragt über dir: Dort fahren ſie! Du feierſt hier. Die Straße, die getragen du, Deckt Wuchs und rothe Blüthe zu! Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos, Er ſteigt aus dumpfem Reußgetos: Mit einem luftgewobnen Kleid Umſchleiert dich Vergangenheit Und ſtatt des Lebens geht der Traum Auf deines Pfades engem Raum. Das Carmen, das der Schüler ſang, Träumt noch im Felſenwiederklang, Gewieher und Drommetenhall Träumt und verdröhnt im Wogenſchwall. Der Kaiſer ritt auf deinem Steg, Du warſt nach Rom der arge Weg, Und Parricida, frevelblaß, Ward hier vom Staub der Welle naß!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/96
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/96>, abgerufen am 18.11.2024.