Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Lautenstimmer.
Schlummernd jüngst in Waldesraum
Hatt' ich einen hübschen Traum:
Etwas regt sich in der Hecke,
Etwas klimpert im Verstecke.
Das Gesträuch mit leiser Hand
Theilt' ich, bis das Nest ich fand:
Kinder, rings im Grase sitzend,
Mit den hellen Augen blitzend!
Rutschend auf dem nackten Knie,
Stimmten eine Laute sie --
"Sagt, was lagert ihr im Runde?
Sprecht, was schaffet ihr im Bunde?"
Auf das zarte Werk erpicht,
Hörten sie die Frage nicht.
"Seht, wie ist sie zugerichtet!
Wundgerissen! Fast vernichtet!"
Emsig ward geklopft, gespäht,
An den Saiten flink gedreht,
Ließen eine tiefer klingen,
Ließen eine hohe springen, --
Die Lautenſtimmer.
Schlummernd jüngſt in Waldesraum
Hatt' ich einen hübſchen Traum:
Etwas regt ſich in der Hecke,
Etwas klimpert im Verſtecke.
Das Geſträuch mit leiſer Hand
Theilt' ich, bis das Neſt ich fand:
Kinder, rings im Graſe ſitzend,
Mit den hellen Augen blitzend!
Rutſchend auf dem nackten Knie,
Stimmten eine Laute ſie —
„Sagt, was lagert ihr im Runde?
Sprecht, was ſchaffet ihr im Bunde?“
Auf das zarte Werk erpicht,
Hörten ſie die Frage nicht.
„Seht, wie iſt ſie zugerichtet!
Wundgeriſſen! Faſt vernichtet!“
Emſig ward geklopft, geſpäht,
An den Saiten flink gedreht,
Ließen eine tiefer klingen,
Ließen eine hohe ſpringen, —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0057" n="43"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Die Lauten&#x017F;timmer.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Schlummernd jüng&#x017F;t in Waldesraum</l><lb/>
              <l>Hatt' ich einen hüb&#x017F;chen Traum:</l><lb/>
              <l>Etwas regt &#x017F;ich in der Hecke,</l><lb/>
              <l>Etwas klimpert im Ver&#x017F;tecke.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Das Ge&#x017F;träuch mit lei&#x017F;er Hand</l><lb/>
              <l>Theilt' ich, bis das Ne&#x017F;t ich fand:</l><lb/>
              <l>Kinder, rings im Gra&#x017F;e &#x017F;itzend,</l><lb/>
              <l>Mit den hellen Augen blitzend!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Rut&#x017F;chend auf dem nackten Knie,</l><lb/>
              <l>Stimmten eine Laute &#x017F;ie &#x2014;</l><lb/>
              <l>&#x201E;Sagt, was lagert ihr im Runde?</l><lb/>
              <l>Sprecht, was &#x017F;chaffet ihr im Bunde?&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Auf das zarte Werk erpicht,</l><lb/>
              <l>Hörten &#x017F;ie die Frage nicht.</l><lb/>
              <l>&#x201E;Seht, wie i&#x017F;t &#x017F;ie zugerichtet!</l><lb/>
              <l>Wundgeri&#x017F;&#x017F;en! Fa&#x017F;t vernichtet!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Em&#x017F;ig ward geklopft, ge&#x017F;päht,</l><lb/>
              <l>An den Saiten flink gedreht,</l><lb/>
              <l>Ließen eine tiefer klingen,</l><lb/>
              <l>Ließen eine hohe &#x017F;pringen, &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0057] Die Lautenſtimmer. Schlummernd jüngſt in Waldesraum Hatt' ich einen hübſchen Traum: Etwas regt ſich in der Hecke, Etwas klimpert im Verſtecke. Das Geſträuch mit leiſer Hand Theilt' ich, bis das Neſt ich fand: Kinder, rings im Graſe ſitzend, Mit den hellen Augen blitzend! Rutſchend auf dem nackten Knie, Stimmten eine Laute ſie — „Sagt, was lagert ihr im Runde? Sprecht, was ſchaffet ihr im Bunde?“ Auf das zarte Werk erpicht, Hörten ſie die Frage nicht. „Seht, wie iſt ſie zugerichtet! Wundgeriſſen! Faſt vernichtet!“ Emſig ward geklopft, geſpäht, An den Saiten flink gedreht, Ließen eine tiefer klingen, Ließen eine hohe ſpringen, —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/57
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/57>, abgerufen am 18.11.2024.