Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Lenz Wanderer Mörder Triumphator. I. Ich lag an einem Raine Mit meinem dürren Stab. Was lauf' ich? Meine Beine Erlaufen nur das Grab ... Ein Wandrer zog derenden, War noch ein Knabe fast, Der hielt als Stab in Händen Den blüthenreichsten Ast. "Grüß Gott dich, schöner Wandrer! Bist du es, Knabe Lenz?" Er rief: "Ich bin kein Andrer Und komme von Florenz!" Das mußte mich erwecken. "Kind Lenz, ich wandre mit!" Wir hoben unsre Stecken In einem Schritt und Tritt. Die beiden Stäbe hoben Kind Lenz und ich zugleich; Auch meiner ward von oben Bis unten blüthenreich. Lenz Wanderer Mörder Triumphator. I. Ich lag an einem Raine Mit meinem dürren Stab. Was lauf' ich? Meine Beine Erlaufen nur das Grab ... Ein Wandrer zog derenden, War noch ein Knabe faſt, Der hielt als Stab in Händen Den blüthenreichſten Aſt. „Grüß Gott dich, ſchöner Wandrer! Biſt du es, Knabe Lenz?“ Er rief: „Ich bin kein Andrer Und komme von Florenz!“ Das mußte mich erwecken. „Kind Lenz, ich wandre mit!“ Wir hoben unſre Stecken In einem Schritt und Tritt. Die beiden Stäbe hoben Kind Lenz und ich zugleich; Auch meiner ward von oben Bis unten blüthenreich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="38" facs="#f0052"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Lenz Wanderer Mörder Triumphator.</hi><lb/> </head> <div n="3"> <head><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich lag an einem Raine</l><lb/> <l>Mit meinem dürren Stab.</l><lb/> <l>Was lauf' ich? Meine Beine</l><lb/> <l>Erlaufen nur das Grab ...</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ein Wandrer zog derenden,</l><lb/> <l>War noch ein Knabe faſt,</l><lb/> <l>Der hielt als Stab in Händen</l><lb/> <l>Den blüthenreichſten Aſt.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>„Grüß Gott dich, ſchöner Wandrer!</l><lb/> <l>Biſt du es, Knabe Lenz?“</l><lb/> <l>Er rief: „Ich bin kein Andrer</l><lb/> <l>Und komme von Florenz!“</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Das mußte mich erwecken.</l><lb/> <l>„Kind Lenz, ich wandre mit!“</l><lb/> <l>Wir hoben unſre Stecken</l><lb/> <l>In <hi rendition="#g">einem</hi> Schritt und Tritt.</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Die beiden Stäbe hoben</l><lb/> <l>Kind Lenz und ich zugleich;</l><lb/> <l>Auch meiner ward von oben</l><lb/> <l>Bis unten blüthenreich.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0052]
Lenz Wanderer Mörder Triumphator.
I.
Ich lag an einem Raine
Mit meinem dürren Stab.
Was lauf' ich? Meine Beine
Erlaufen nur das Grab ...
Ein Wandrer zog derenden,
War noch ein Knabe faſt,
Der hielt als Stab in Händen
Den blüthenreichſten Aſt.
„Grüß Gott dich, ſchöner Wandrer!
Biſt du es, Knabe Lenz?“
Er rief: „Ich bin kein Andrer
Und komme von Florenz!“
Das mußte mich erwecken.
„Kind Lenz, ich wandre mit!“
Wir hoben unſre Stecken
In einem Schritt und Tritt.
Die beiden Stäbe hoben
Kind Lenz und ich zugleich;
Auch meiner ward von oben
Bis unten blüthenreich.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/52>, abgerufen am 03.03.2025. |