Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Fei.
Mondnacht und Flut. Sie hangt am Kiel,
Umklammert mit den Armen ihn,
Sie treibt ein grausam lüstern Spiel,
Den Nachen in den Grund zu ziehn.
Der Ferge stöhnt: "In Seegesträuch
Reißt nieder uns der blanke Leib!
Rasch, Herr! Von Sünde reinigt Euch,
Begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!"
Der Ritter hält den Schwertesgriff
Sich als das heil'ge Zeichen vor --
Aus dunkeln Haaren lauscht am Schiff
Ein schmerzlich bleiches Haupt empor.
"Herr Christ! Ich beichte Ritterthat,
Streit, Flammenschein und strömend Blut,
Doch nichts von Frevel noch Verrat,
Denn Treu und Glauben hielt ich gut."
Er küßt das Kreuz. Gell schreit die Fee!
Auflangen sieht er eine Hand
Am Steuer, blendend weiß wie Schnee,
Und starrt darauf, von Graun gebannt.
C. F. Meyer, Gedichte. 2
Die Fei.
Mondnacht und Flut. Sie hangt am Kiel,
Umklammert mit den Armen ihn,
Sie treibt ein grauſam lüſtern Spiel,
Den Nachen in den Grund zu ziehn.
Der Ferge ſtöhnt: „In Seegeſträuch
Reißt nieder uns der blanke Leib!
Raſch, Herr! Von Sünde reinigt Euch,
Begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!“
Der Ritter hält den Schwertesgriff
Sich als das heil'ge Zeichen vor —
Aus dunkeln Haaren lauſcht am Schiff
Ein ſchmerzlich bleiches Haupt empor.
„Herr Chriſt! Ich beichte Ritterthat,
Streit, Flammenſchein und ſtrömend Blut,
Doch nichts von Frevel noch Verrat,
Denn Treu und Glauben hielt ich gut.“
Er küßt das Kreuz. Gell ſchreit die Fee!
Auflangen ſieht er eine Hand
Am Steuer, blendend weiß wie Schnee,
Und ſtarrt darauf, von Graun gebannt.
C. F. Meyer, Gedichte. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0031" n="17"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Die Fei.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Mondnacht und Flut. Sie hangt am Kiel,</l><lb/>
              <l>Umklammert mit den Armen ihn,</l><lb/>
              <l>Sie treibt ein grau&#x017F;am lü&#x017F;tern Spiel,</l><lb/>
              <l>Den Nachen in den Grund zu ziehn.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Der Ferge &#x017F;töhnt: &#x201E;In Seege&#x017F;träuch</l><lb/>
              <l>Reißt nieder uns der blanke Leib!</l><lb/>
              <l>Ra&#x017F;ch, Herr! Von Sünde reinigt Euch,</l><lb/>
              <l>Begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Der Ritter hält den Schwertesgriff</l><lb/>
              <l>Sich als das heil'ge Zeichen vor &#x2014;</l><lb/>
              <l>Aus dunkeln Haaren lau&#x017F;cht am Schiff</l><lb/>
              <l>Ein &#x017F;chmerzlich bleiches Haupt empor.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>&#x201E;Herr Chri&#x017F;t! Ich beichte Ritterthat,</l><lb/>
              <l>Streit, Flammen&#x017F;chein und &#x017F;trömend Blut,</l><lb/>
              <l>Doch nichts von Frevel noch Verrat,</l><lb/>
              <l>Denn Treu und Glauben hielt ich gut.&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="5">
              <l>Er küßt das Kreuz. Gell &#x017F;chreit die Fee!</l><lb/>
              <l>Auflangen &#x017F;ieht er eine Hand</l><lb/>
              <l>Am Steuer, blendend weiß wie Schnee,</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;tarrt darauf, von Graun gebannt.</l><lb/>
            </lg>
            <fw place="bottom" type="sig">C. F. <hi rendition="#g">Meyer</hi>, Gedichte. 2<lb/></fw>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0031] Die Fei. Mondnacht und Flut. Sie hangt am Kiel, Umklammert mit den Armen ihn, Sie treibt ein grauſam lüſtern Spiel, Den Nachen in den Grund zu ziehn. Der Ferge ſtöhnt: „In Seegeſträuch Reißt nieder uns der blanke Leib! Raſch, Herr! Von Sünde reinigt Euch, Begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!“ Der Ritter hält den Schwertesgriff Sich als das heil'ge Zeichen vor — Aus dunkeln Haaren lauſcht am Schiff Ein ſchmerzlich bleiches Haupt empor. „Herr Chriſt! Ich beichte Ritterthat, Streit, Flammenſchein und ſtrömend Blut, Doch nichts von Frevel noch Verrat, Denn Treu und Glauben hielt ich gut.“ Er küßt das Kreuz. Gell ſchreit die Fee! Auflangen ſieht er eine Hand Am Steuer, blendend weiß wie Schnee, Und ſtarrt darauf, von Graun gebannt. C. F. Meyer, Gedichte. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/31
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/31>, abgerufen am 22.12.2024.