Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Krypte.
Baut junge Meister, bauet hell und weit
Der Macht, dem Muth, der That, der Gunst der Stunde,
Der Dinge wahr und tief geschöpfter Kunde,
Dem ganzen Genienkreis der neuen Zeit!
Des Lebens unerschöpften Kräften weiht
Die freud'ge, lichtdurchfluthete Rotunde --
Baut auch die Krypte drunter, wo das wunde
Gemüth sich flüchten darf in Einsamkeit:
Vergeßt die Krypte nicht! Dort soll sich neigen
Das heil'ge Haupt, das Dornen scharf umwinden!
Ich glaube: Ein'ge werden niedersteigen.
Dort unten werden Ein'ge Trost empfinden.
Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten,
Nicht Glück noch Ruhm, nur größern Schmerz betrachten.

Die Krypte.
Baut junge Meiſter, bauet hell und weit
Der Macht, dem Muth, der That, der Gunſt der Stunde,
Der Dinge wahr und tief geſchöpfter Kunde,
Dem ganzen Genienkreis der neuen Zeit!
Des Lebens unerſchöpften Kräften weiht
Die freud'ge, lichtdurchfluthete Rotunde —
Baut auch die Krypte drunter, wo das wunde
Gemüth ſich flüchten darf in Einſamkeit:
Vergeßt die Krypte nicht! Dort ſoll ſich neigen
Das heil'ge Haupt, das Dornen ſcharf umwinden!
Ich glaube: Ein'ge werden niederſteigen.
Dort unten werden Ein'ge Troſt empfinden.
Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten,
Nicht Glück noch Ruhm, nur größern Schmerz betrachten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0290" n="276"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Die Krypte.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Baut junge Mei&#x017F;ter, bauet hell und weit</l><lb/>
              <l>Der Macht, dem Muth, der That, der Gun&#x017F;t der Stunde,</l><lb/>
              <l>Der Dinge wahr und tief ge&#x017F;chöpfter Kunde,</l><lb/>
              <l>Dem ganzen Genienkreis der neuen Zeit!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Des Lebens uner&#x017F;chöpften Kräften weiht</l><lb/>
              <l>Die freud'ge, lichtdurchfluthete Rotunde &#x2014;</l><lb/>
              <l>Baut auch die Krypte drunter, wo das wunde</l><lb/>
              <l>Gemüth &#x017F;ich flüchten darf in Ein&#x017F;amkeit:</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Vergeßt die Krypte nicht! Dort &#x017F;oll &#x017F;ich neigen</l><lb/>
              <l>Das heil'ge Haupt, das Dornen &#x017F;charf umwinden!</l><lb/>
              <l>Ich glaube: Ein'ge werden nieder&#x017F;teigen.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Dort unten werden Ein'ge Tro&#x017F;t empfinden.</l><lb/>
              <l>Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten,</l><lb/>
              <l>Nicht Glück noch Ruhm, nur größern Schmerz betrachten.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0290] Die Krypte. Baut junge Meiſter, bauet hell und weit Der Macht, dem Muth, der That, der Gunſt der Stunde, Der Dinge wahr und tief geſchöpfter Kunde, Dem ganzen Genienkreis der neuen Zeit! Des Lebens unerſchöpften Kräften weiht Die freud'ge, lichtdurchfluthete Rotunde — Baut auch die Krypte drunter, wo das wunde Gemüth ſich flüchten darf in Einſamkeit: Vergeßt die Krypte nicht! Dort ſoll ſich neigen Das heil'ge Haupt, das Dornen ſcharf umwinden! Ich glaube: Ein'ge werden niederſteigen. Dort unten werden Ein'ge Troſt empfinden. Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten, Nicht Glück noch Ruhm, nur größern Schmerz betrachten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/290
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/290>, abgerufen am 18.11.2024.