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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Da war's als ich die Kohle führte,
Daß Gott der Geist das Werk berührte:
Gemach begann der Dom zu schweben
Und regte sich aus eignem Leben,
Mich riß es über mich empor,
Mit schlanken Stämmen wuchs der Chor,
Gen Himmel blüht' in Laub und Ranke.
Der menschlich göttliche Gedanke --
Das Münster stand auf meinem Blatte,
Still dacht' ich, Wer's vollendet hatte.
Im Flur auf unserm städt'schen Haus
Stellt' ich das Blatt den Blicken aus,
Und wie die Bürger nahe traten,
Sprach Aller Mund: Du hast's errathen!
So und nicht anders soll es sein.
Da legt' ich meinen ersten Stein,
Aus allen Herzen, allen Händen
In freud'ger Fülle quollen Spenden.
Beschattend schon die Häusermasse
Entstieg der Dom dem Lärm der Gasse
Und wuchs mit abgemessnen Schritten,
Die Wolken und die Jahre glitten,
Doch karger werdend mit den Jahren,
Begannen Hand und Herz zu sparen,
Die Flamme der Begeistrung fiel
In müde Asche vor dem Ziel.
Erst sprach der Rath von kurzen Fristen,
Und stiller ward's auf den Gerüsten,
Dann setzten neue Frist sie wieder,
Das Baugestelle faulte nieder.
C. F. Meyer, Gedichte. 18
Da war's als ich die Kohle führte,
Daß Gott der Geiſt das Werk berührte:
Gemach begann der Dom zu ſchweben
Und regte ſich aus eignem Leben,
Mich riß es über mich empor,
Mit ſchlanken Stämmen wuchs der Chor,
Gen Himmel blüht' in Laub und Ranke.
Der menſchlich göttliche Gedanke —
Das Münſter ſtand auf meinem Blatte,
Still dacht' ich, Wer's vollendet hatte.
Im Flur auf unſerm ſtädt'ſchen Haus
Stellt' ich das Blatt den Blicken aus,
Und wie die Bürger nahe traten,
Sprach Aller Mund: Du haſt's errathen!
So und nicht anders ſoll es ſein.
Da legt' ich meinen erſten Stein,
Aus allen Herzen, allen Händen
In freud'ger Fülle quollen Spenden.
Beſchattend ſchon die Häuſermaſſe
Entſtieg der Dom dem Lärm der Gaſſe
Und wuchs mit abgemeſſnen Schritten,
Die Wolken und die Jahre glitten,
Doch karger werdend mit den Jahren,
Begannen Hand und Herz zu ſparen,
Die Flamme der Begeiſtrung fiel
In müde Aſche vor dem Ziel.
Erſt ſprach der Rath von kurzen Friſten,
Und ſtiller ward's auf den Gerüſten,
Dann ſetzten neue Friſt ſie wieder,
Das Baugeſtelle faulte nieder.
C. F. Meyer, Gedichte. 18
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[273/0287] Da war's als ich die Kohle führte, Daß Gott der Geiſt das Werk berührte: Gemach begann der Dom zu ſchweben Und regte ſich aus eignem Leben, Mich riß es über mich empor, Mit ſchlanken Stämmen wuchs der Chor, Gen Himmel blüht' in Laub und Ranke. Der menſchlich göttliche Gedanke — Das Münſter ſtand auf meinem Blatte, Still dacht' ich, Wer's vollendet hatte. Im Flur auf unſerm ſtädt'ſchen Haus Stellt' ich das Blatt den Blicken aus, Und wie die Bürger nahe traten, Sprach Aller Mund: Du haſt's errathen! So und nicht anders ſoll es ſein. Da legt' ich meinen erſten Stein, Aus allen Herzen, allen Händen In freud'ger Fülle quollen Spenden. Beſchattend ſchon die Häuſermaſſe Entſtieg der Dom dem Lärm der Gaſſe Und wuchs mit abgemeſſnen Schritten, Die Wolken und die Jahre glitten, Doch karger werdend mit den Jahren, Begannen Hand und Herz zu ſparen, Die Flamme der Begeiſtrung fiel In müde Aſche vor dem Ziel. Erſt ſprach der Rath von kurzen Friſten, Und ſtiller ward's auf den Gerüſten, Dann ſetzten neue Friſt ſie wieder, Das Baugeſtelle faulte nieder. C. F. Meyer, Gedichte. 18

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/287>, abgerufen am 24.11.2024.