Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Das Münster. Des Meisters hohle Wange brennt,
Sie bringen ihm das Sacrament, Er ißt des ew'gen Lebens Brot, Im Stubenwinkel grinst der Tod. Fort trägt der Pfaffe die Monstranz. Mit Augen scharf von Fieberglanz Winkt weg der Meister seinem Weibe, Dem Sohn, dem einz'gen, winkt er: Bleibe! Und deutet auf den Eichenschrein: Was mag da Köstlich's drinnen sein? Der Jüngling hebt ein Pergament Aus einer Lade die er kennt Und breitet auf die Lagerstatt Ein langsam aufgerolltes Blatt. Da dehnt sich feierlich gewaltig Ein Münster eins und mannigfaltig Vom obern bis zum untern Rand -- Ein Riß von jugendkühner Hand. Der Meister sieht am Bret sich stehn Und seine Zeichenkohle gehn, Sieht über blühendfrische Wangen Verworrne Haare niederhangen -- Und vor dem ersten seiner Pläne Erstaunt er und zerdrückt die Thräne. Auflodern seine Lebensgeister, Mit raschen Pulsen spricht der Meister: Das Münſter. Des Meiſters hohle Wange brennt,
Sie bringen ihm das Sacrament, Er ißt des ew'gen Lebens Brot, Im Stubenwinkel grinſt der Tod. Fort trägt der Pfaffe die Monſtranz. Mit Augen ſcharf von Fieberglanz Winkt weg der Meiſter ſeinem Weibe, Dem Sohn, dem einz'gen, winkt er: Bleibe! Und deutet auf den Eichenſchrein: Was mag da Köſtlich's drinnen ſein? Der Jüngling hebt ein Pergament Aus einer Lade die er kennt Und breitet auf die Lagerſtatt Ein langſam aufgerolltes Blatt. Da dehnt ſich feierlich gewaltig Ein Münſter eins und mannigfaltig Vom obern bis zum untern Rand — Ein Riß von jugendkühner Hand. Der Meiſter ſieht am Bret ſich ſtehn Und ſeine Zeichenkohle gehn, Sieht über blühendfriſche Wangen Verworrne Haare niederhangen — Und vor dem erſten ſeiner Pläne Erſtaunt er und zerdrückt die Thräne. Auflodern ſeine Lebensgeiſter, Mit raſchen Pulſen ſpricht der Meiſter: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0285" n="271"/> </div> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Münſter.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Des Meiſters hohle Wange brennt,</l><lb/> <l>Sie bringen ihm das Sacrament,</l><lb/> <l>Er ißt des ew'gen Lebens Brot,</l><lb/> <l>Im Stubenwinkel grinſt der Tod.</l><lb/> <l>Fort trägt der Pfaffe die Monſtranz.</l><lb/> <l>Mit Augen ſcharf von Fieberglanz</l><lb/> <l>Winkt weg der Meiſter ſeinem Weibe,</l><lb/> <l>Dem Sohn, dem einz'gen, winkt er: Bleibe!</l><lb/> <l>Und deutet auf den Eichenſchrein:</l><lb/> <l>Was mag da Köſtlich's drinnen ſein?</l><lb/> <l>Der Jüngling hebt ein Pergament</l><lb/> <l>Aus einer Lade die er kennt</l><lb/> <l>Und breitet auf die Lagerſtatt</l><lb/> <l>Ein langſam aufgerolltes Blatt.</l><lb/> <l>Da dehnt ſich feierlich gewaltig</l><lb/> <l>Ein Münſter eins und mannigfaltig</l><lb/> <l>Vom obern bis zum untern Rand —</l><lb/> <l>Ein Riß von jugendkühner Hand.</l><lb/> <l>Der Meiſter ſieht am Bret ſich ſtehn</l><lb/> <l>Und ſeine Zeichenkohle gehn,</l><lb/> <l>Sieht über blühendfriſche Wangen</l><lb/> <l>Verworrne Haare niederhangen —</l><lb/> <l>Und vor dem erſten ſeiner Pläne</l><lb/> <l>Erſtaunt er und zerdrückt die Thräne.</l><lb/> <l>Auflodern ſeine Lebensgeiſter,</l><lb/> <l>Mit raſchen Pulſen ſpricht der Meiſter:</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [271/0285]
Das Münſter.
Des Meiſters hohle Wange brennt,
Sie bringen ihm das Sacrament,
Er ißt des ew'gen Lebens Brot,
Im Stubenwinkel grinſt der Tod.
Fort trägt der Pfaffe die Monſtranz.
Mit Augen ſcharf von Fieberglanz
Winkt weg der Meiſter ſeinem Weibe,
Dem Sohn, dem einz'gen, winkt er: Bleibe!
Und deutet auf den Eichenſchrein:
Was mag da Köſtlich's drinnen ſein?
Der Jüngling hebt ein Pergament
Aus einer Lade die er kennt
Und breitet auf die Lagerſtatt
Ein langſam aufgerolltes Blatt.
Da dehnt ſich feierlich gewaltig
Ein Münſter eins und mannigfaltig
Vom obern bis zum untern Rand —
Ein Riß von jugendkühner Hand.
Der Meiſter ſieht am Bret ſich ſtehn
Und ſeine Zeichenkohle gehn,
Sieht über blühendfriſche Wangen
Verworrne Haare niederhangen —
Und vor dem erſten ſeiner Pläne
Erſtaunt er und zerdrückt die Thräne.
Auflodern ſeine Lebensgeiſter,
Mit raſchen Pulſen ſpricht der Meiſter:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |