Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Einsiedel. "Was pocht mir an das Fenster? Wer klopft an meine Thür so laut?" -- "Ich bin ein junger Wildfang Und naß bis auf die Haut. Ich bin der Gerold Wendel, Wir ziehen an den Hof zu Zwein, Der Andre ist ein Konrad Und nennt sich Lützelstein. Der duckt sich etwo anders Vor Blitzgezuck und Wetterzorn Und bläst mich morgen munter Mit seinem Jägerhorn. Einsiedel, frommer Bruder, Ihr sehet wie es um mich steht! Gewährt mir Euer Lager Und sprecht mein Nachtgebet!" Er lallt es halb entschlummert Und streckt die Glieder aus zur Ruh Einsiedel deckt sein Lämpchen Mit beiden Händen zu. "Wie lieblich ist die Jugend!
Hätt' ich ein Füllhorn voller Glück, Ich leert' es dir zu Häupten, Es bliebe nichts zurück." Einſiedel. „Was pocht mir an das Fenſter? Wer klopft an meine Thür ſo laut?“ — „Ich bin ein junger Wildfang Und naß bis auf die Haut. Ich bin der Gerold Wendel, Wir ziehen an den Hof zu Zwein, Der Andre iſt ein Konrad Und nennt ſich Lützelſtein. Der duckt ſich etwo anders Vor Blitzgezuck und Wetterzorn Und bläſt mich morgen munter Mit ſeinem Jägerhorn. Einſiedel, frommer Bruder, Ihr ſehet wie es um mich ſteht! Gewährt mir Euer Lager Und ſprecht mein Nachtgebet!“ Er lallt es halb entſchlummert Und ſtreckt die Glieder aus zur Ruh Einſiedel deckt ſein Lämpchen Mit beiden Händen zu. „Wie lieblich iſt die Jugend!
Hätt' ich ein Füllhorn voller Glück, Ich leert' es dir zu Häupten, Es bliebe nichts zurück.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0282" n="268"/> </div> <div n="2"> <head>Einſiedel.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>„Was pocht mir an das Fenſter?</l><lb/> <l>Wer klopft an meine Thür ſo laut?“</l><lb/> <l>— „Ich bin ein junger Wildfang</l><lb/> <l>Und naß bis auf die Haut.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ich bin der Gerold Wendel,</l><lb/> <l>Wir ziehen an den Hof zu Zwein,</l><lb/> <l>Der Andre iſt ein Konrad</l><lb/> <l>Und nennt ſich Lützelſtein.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Der duckt ſich etwo anders</l><lb/> <l>Vor Blitzgezuck und Wetterzorn</l><lb/> <l>Und bläſt mich morgen munter</l><lb/> <l>Mit ſeinem Jägerhorn.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Einſiedel, frommer Bruder,</l><lb/> <l>Ihr ſehet wie es um mich ſteht!</l><lb/> <l>Gewährt mir Euer Lager</l><lb/> <l>Und ſprecht mein Nachtgebet!“</l><lb/> </lg> <lg n="5"> <l>Er lallt es halb entſchlummert</l><lb/> <l>Und ſtreckt die Glieder aus zur Ruh</l><lb/> <l>Einſiedel deckt ſein Lämpchen</l><lb/> <l>Mit beiden Händen zu.</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>„Wie lieblich iſt die Jugend!</l><lb/> <l>Hätt' ich ein Füllhorn voller Glück,</l><lb/> <l>Ich leert' es dir zu Häupten,</l><lb/> <l>Es bliebe nichts zurück.“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0282]
Einſiedel.
„Was pocht mir an das Fenſter?
Wer klopft an meine Thür ſo laut?“
— „Ich bin ein junger Wildfang
Und naß bis auf die Haut.
Ich bin der Gerold Wendel,
Wir ziehen an den Hof zu Zwein,
Der Andre iſt ein Konrad
Und nennt ſich Lützelſtein.
Der duckt ſich etwo anders
Vor Blitzgezuck und Wetterzorn
Und bläſt mich morgen munter
Mit ſeinem Jägerhorn.
Einſiedel, frommer Bruder,
Ihr ſehet wie es um mich ſteht!
Gewährt mir Euer Lager
Und ſprecht mein Nachtgebet!“
Er lallt es halb entſchlummert
Und ſtreckt die Glieder aus zur Ruh
Einſiedel deckt ſein Lämpchen
Mit beiden Händen zu.
„Wie lieblich iſt die Jugend!
Hätt' ich ein Füllhorn voller Glück,
Ich leert' es dir zu Häupten,
Es bliebe nichts zurück.“
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