Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Liebesflämmchen. Die Mutter mahnt mich Abends: "Trag Sorg zur Ampel, Kind! Jüngst träumte mir von Feuer -- Auch weht ein wilder Wind." Das Flämmchen auf der Ampel, Ich lösch' es mit Bedacht, Das Licht in meinem Herzen Brennt durch die ganze Nacht. Die Mutter ruft mich Morgens: "Kind, hebe dich! 's ist Tag!" Sie pocht an meiner Thüre Dreimal mit starkem Schlag Und meint, sie habe grausam Mich aus dem Schlaf geschreckt -- Das Licht in meinem Herzen Hat längst mich aufgeweckt. Liebesflämmchen. Die Mutter mahnt mich Abends: „Trag Sorg zur Ampel, Kind! Jüngſt träumte mir von Feuer — Auch weht ein wilder Wind.“ Das Flämmchen auf der Ampel, Ich löſch' es mit Bedacht, Das Licht in meinem Herzen Brennt durch die ganze Nacht. Die Mutter ruft mich Morgens: „Kind, hebe dich! 's iſt Tag!“ Sie pocht an meiner Thüre Dreimal mit ſtarkem Schlag Und meint, ſie habe grauſam Mich aus dem Schlaf geſchreckt — Das Licht in meinem Herzen Hat längſt mich aufgeweckt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb n="14" facs="#f0028"/> </div> <div n="2"> <head>Liebesflämmchen.<lb/></head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die Mutter mahnt mich Abends:</l><lb/> <l>„Trag Sorg zur Ampel, Kind!</l><lb/> <l>Jüngſt träumte mir von Feuer —</l><lb/> <l>Auch weht ein wilder Wind.“</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Das Flämmchen auf der Ampel,</l><lb/> <l>Ich löſch' es mit Bedacht,</l><lb/> <l>Das Licht in meinem Herzen</l><lb/> <l>Brennt durch die ganze Nacht.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Die Mutter ruft mich Morgens:</l><lb/> <l>„Kind, hebe dich! 's iſt Tag!“</l><lb/> <l>Sie pocht an meiner Thüre</l><lb/> <l>Dreimal mit ſtarkem Schlag</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Und meint, ſie habe grauſam</l><lb/> <l>Mich aus dem Schlaf geſchreckt —</l><lb/> <l>Das Licht in meinem Herzen</l><lb/> <l>Hat längſt mich aufgeweckt.</l><lb/> </lg> </lg> <milestone unit="section" rendition="#hr"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [14/0028]
Liebesflämmchen.
Die Mutter mahnt mich Abends:
„Trag Sorg zur Ampel, Kind!
Jüngſt träumte mir von Feuer —
Auch weht ein wilder Wind.“
Das Flämmchen auf der Ampel,
Ich löſch' es mit Bedacht,
Das Licht in meinem Herzen
Brennt durch die ganze Nacht.
Die Mutter ruft mich Morgens:
„Kind, hebe dich! 's iſt Tag!“
Sie pocht an meiner Thüre
Dreimal mit ſtarkem Schlag
Und meint, ſie habe grauſam
Mich aus dem Schlaf geſchreckt —
Das Licht in meinem Herzen
Hat längſt mich aufgeweckt.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/28>, abgerufen am 03.03.2025. |