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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Und es zittern vor dem unschuldsvollen
Engelsantlitz, die sie martern wollen.
Selbst der Priester spricht mit ihr gelinde,
Als mit einem irrgegangnen Kinde:
"Schwaches Weib, der dich verleitet hatte,
Weder Bruder war er dir noch Gatte!
Seine Asche treibt im Wind! Verflogen
Sind die Stapfen, die dich nachgezogen!
Büße! Folge reuig den Geboten
Unsrer heil'gen Kirche! Laß den Todten!"
In den Banden kann sich nicht bewegen
Margherita, nur die Lippen regen:
"Leiden muß ich, was Dolcin gelitten ...
Horch, er ruft! Ich folge seinen Schritten" --
Und die warmen, tiefen Blicke strahlen --
"Durch die Martern folg' ich, durch die Qualen!"
-- "Ketzerin, dich stärken finstre Mächte!
Brände her!" .... Es rühren sich die Knechte.
Siehe da! Wie eines Blitzes Leuchten
Fährt ein Ritter unter die Gescheuchten,
Will den schönen Dämon sich erstreiten;
Er bemächtigt sich der Maledeiten,
Ihre Kniee fasst er mit der Linken,
In der Rechten droht des Schwertes Blinken:
"Tretet aus die Glut! Bei Gottes Leibe,
Löscht die Fackeln! Weg von meinem Weibe!
Sage Ja ... Mit einem Wink der Lider ...
Und vom Scheiterhaufen steigst du nieder!
Und es zittern vor dem unſchuldsvollen
Engelsantlitz, die ſie martern wollen.
Selbſt der Prieſter ſpricht mit ihr gelinde,
Als mit einem irrgegangnen Kinde:
„Schwaches Weib, der dich verleitet hatte,
Weder Bruder war er dir noch Gatte!
Seine Aſche treibt im Wind! Verflogen
Sind die Stapfen, die dich nachgezogen!
Büße! Folge reuig den Geboten
Unſrer heil'gen Kirche! Laß den Todten!“
In den Banden kann ſich nicht bewegen
Margherita, nur die Lippen regen:
„Leiden muß ich, was Dolcin gelitten ...
Horch, er ruft! Ich folge ſeinen Schritten“ —
Und die warmen, tiefen Blicke ſtrahlen —
„Durch die Martern folg' ich, durch die Qualen!“
— „Ketzerin, dich ſtärken finſtre Mächte!
Brände her!“ .... Es rühren ſich die Knechte.
Siehe da! Wie eines Blitzes Leuchten
Fährt ein Ritter unter die Geſcheuchten,
Will den ſchönen Dämon ſich erſtreiten;
Er bemächtigt ſich der Maledeiten,
Ihre Kniee faſſt er mit der Linken,
In der Rechten droht des Schwertes Blinken:
„Tretet aus die Glut! Bei Gottes Leibe,
Löſcht die Fackeln! Weg von meinem Weibe!
Sage Ja ... Mit einem Wink der Lider ...
Und vom Scheiterhaufen ſteigſt du nieder!
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[248/0262] Und es zittern vor dem unſchuldsvollen Engelsantlitz, die ſie martern wollen. Selbſt der Prieſter ſpricht mit ihr gelinde, Als mit einem irrgegangnen Kinde: „Schwaches Weib, der dich verleitet hatte, Weder Bruder war er dir noch Gatte! Seine Aſche treibt im Wind! Verflogen Sind die Stapfen, die dich nachgezogen! Büße! Folge reuig den Geboten Unſrer heil'gen Kirche! Laß den Todten!“ In den Banden kann ſich nicht bewegen Margherita, nur die Lippen regen: „Leiden muß ich, was Dolcin gelitten ... Horch, er ruft! Ich folge ſeinen Schritten“ — Und die warmen, tiefen Blicke ſtrahlen — „Durch die Martern folg' ich, durch die Qualen!“ — „Ketzerin, dich ſtärken finſtre Mächte! Brände her!“ .... Es rühren ſich die Knechte. Siehe da! Wie eines Blitzes Leuchten Fährt ein Ritter unter die Geſcheuchten, Will den ſchönen Dämon ſich erſtreiten; Er bemächtigt ſich der Maledeiten, Ihre Kniee faſſt er mit der Linken, In der Rechten droht des Schwertes Blinken: „Tretet aus die Glut! Bei Gottes Leibe, Löſcht die Fackeln! Weg von meinem Weibe! Sage Ja ... Mit einem Wink der Lider ... Und vom Scheiterhaufen ſteigſt du nieder!

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/262>, abgerufen am 23.11.2024.