Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Auf des Niles weiten Wassern ist des Stromgotts Wort ver¬ schollen, Nur ein Antlitz schwimmt und schimmert, dessen Haare lockig rollen ... Jetzt beleben sich die Pfade. Schiffe blähen ihre Flügel. Kleebeladene Kamele wandern, sacht bewegte Hügel. Frauen kommen mit dem schlanken Kruge, die gemessen schreiten In verhülltem stillem Zuge, wie die Jahre, wie die Zeiten ... Aus der ahnungsvollen Ferne ragen Spitzen, hell besonnte, Steigen wie beschneite Gipfel weiß am reinen Horizonte -- Joseph schaut empor zum Reiter: "Mit dir meiner Väter Frieden! Herr, wie nennst du dort die Berge?" "Kind, du schaust die Pyramiden!" Auf des Niles weiten Waſſern iſt des Stromgotts Wort ver¬ ſchollen, Nur ein Antlitz ſchwimmt und ſchimmert, deſſen Haare lockig rollen ... Jetzt beleben ſich die Pfade. Schiffe blähen ihre Flügel. Kleebeladene Kamele wandern, ſacht bewegte Hügel. Frauen kommen mit dem ſchlanken Kruge, die gemeſſen ſchreiten In verhülltem ſtillem Zuge, wie die Jahre, wie die Zeiten ... Aus der ahnungsvollen Ferne ragen Spitzen, hell beſonnte, Steigen wie beſchneite Gipfel weiß am reinen Horizonte — Joſeph ſchaut empor zum Reiter: „Mit dir meiner Väter Frieden! Herr, wie nennſt du dort die Berge?“ „Kind, du ſchauſt die Pyramiden!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0206" n="192"/> <lg n="9"> <l>Auf des Niles weiten Waſſern iſt des Stromgotts Wort ver¬<lb/> ſchollen,</l><lb/> <l>Nur ein Antlitz ſchwimmt und ſchimmert, deſſen Haare lockig<lb/> rollen ...</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Jetzt beleben ſich die Pfade. Schiffe blähen ihre Flügel.</l><lb/> <l>Kleebeladene Kamele wandern, ſacht bewegte Hügel.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Frauen kommen mit dem ſchlanken Kruge, die gemeſſen ſchreiten</l><lb/> <l>In verhülltem ſtillem Zuge, wie die Jahre, wie die Zeiten ...</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Aus der ahnungsvollen Ferne ragen Spitzen, hell beſonnte,</l><lb/> <l>Steigen wie beſchneite Gipfel weiß am reinen Horizonte —</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>Joſeph ſchaut empor zum Reiter: „Mit dir meiner Väter Frieden!</l><lb/> <l>Herr, wie nennſt du dort die Berge?“ „Kind, du ſchauſt die<lb/> Pyramiden!“</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0206]
Auf des Niles weiten Waſſern iſt des Stromgotts Wort ver¬
ſchollen,
Nur ein Antlitz ſchwimmt und ſchimmert, deſſen Haare lockig
rollen ...
Jetzt beleben ſich die Pfade. Schiffe blähen ihre Flügel.
Kleebeladene Kamele wandern, ſacht bewegte Hügel.
Frauen kommen mit dem ſchlanken Kruge, die gemeſſen ſchreiten
In verhülltem ſtillem Zuge, wie die Jahre, wie die Zeiten ...
Aus der ahnungsvollen Ferne ragen Spitzen, hell beſonnte,
Steigen wie beſchneite Gipfel weiß am reinen Horizonte —
Joſeph ſchaut empor zum Reiter: „Mit dir meiner Väter Frieden!
Herr, wie nennſt du dort die Berge?“ „Kind, du ſchauſt die
Pyramiden!“
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/206>, abgerufen am 16.02.2025. |