Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
Schneewittchen.
Schneewittchen hast im Scherz du dich genannt,
Da plaudernd einst zusammen wir gesessen,
Der Augen tiefes Blau, die Elfenhand,
Des Nackens Blondgekraus, wer kann's vergessen?
Noch jüngst -- ich schritt ein hohes Thal entlang,
Es war gekrönt mit sieben Silberspitzen,
Die von dem himmelnahen Felsenhang
Herunter auf die grünen Pfade blitzen --
"Schneewittchen!" rief ich laut und unbewußt,
"Schneewittchen! hinter deinen sieben Bergen
Führst droben pünktlich du mit kühler Brust
Den kleinen Haushalt deinen sieben Zwergen?"
Ein spottend Echo nur antwortet' mir,
Die Felsstirn rümpfte lachend ihre Falten
Und doch, und doch, mir war's, ich hätt' von dir,
Schneewittchen! einen lieben Gruß erhalten.

Schneewittchen.
Schneewittchen haſt im Scherz du dich genannt,
Da plaudernd einſt zuſammen wir geſeſſen,
Der Augen tiefes Blau, die Elfenhand,
Des Nackens Blondgekraus, wer kann's vergeſſen?
Noch jüngſt — ich ſchritt ein hohes Thal entlang,
Es war gekrönt mit ſieben Silberſpitzen,
Die von dem himmelnahen Felſenhang
Herunter auf die grünen Pfade blitzen —
„Schneewittchen!“ rief ich laut und unbewußt,
„Schneewittchen! hinter deinen ſieben Bergen
Führſt droben pünktlich du mit kühler Bruſt
Den kleinen Haushalt deinen ſieben Zwergen?“
Ein ſpottend Echo nur antwortet' mir,
Die Felsſtirn rümpfte lachend ihre Falten
Und doch, und doch, mir war's, ich hätt' von dir,
Schneewittchen! einen lieben Gruß erhalten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0190" n="176"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head>Schneewittchen.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Schneewittchen ha&#x017F;t im Scherz du dich genannt,</l><lb/>
              <l>Da plaudernd ein&#x017F;t zu&#x017F;ammen wir ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Der Augen tiefes Blau, die Elfenhand,</l><lb/>
              <l>Des Nackens Blondgekraus, wer kann's verge&#x017F;&#x017F;en?</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Noch jüng&#x017F;t &#x2014; ich &#x017F;chritt ein hohes Thal entlang,</l><lb/>
              <l>Es war gekrönt mit &#x017F;ieben Silber&#x017F;pitzen,</l><lb/>
              <l>Die von dem himmelnahen Fel&#x017F;enhang</l><lb/>
              <l>Herunter auf die grünen Pfade blitzen &#x2014;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>&#x201E;Schneewittchen!&#x201C; rief ich laut und unbewußt,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Schneewittchen! hinter deinen &#x017F;ieben Bergen</l><lb/>
              <l>Führ&#x017F;t droben pünktlich du mit kühler Bru&#x017F;t</l><lb/>
              <l>Den kleinen Haushalt deinen &#x017F;ieben Zwergen?&#x201C;</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="4">
              <l>Ein &#x017F;pottend Echo nur antwortet' mir,</l><lb/>
              <l>Die Fels&#x017F;tirn rümpfte lachend ihre Falten</l><lb/>
              <l>Und doch, und doch, mir war's, ich hätt' von dir,</l><lb/>
              <l>Schneewittchen! einen lieben Gruß erhalten.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0190] Schneewittchen. Schneewittchen haſt im Scherz du dich genannt, Da plaudernd einſt zuſammen wir geſeſſen, Der Augen tiefes Blau, die Elfenhand, Des Nackens Blondgekraus, wer kann's vergeſſen? Noch jüngſt — ich ſchritt ein hohes Thal entlang, Es war gekrönt mit ſieben Silberſpitzen, Die von dem himmelnahen Felſenhang Herunter auf die grünen Pfade blitzen — „Schneewittchen!“ rief ich laut und unbewußt, „Schneewittchen! hinter deinen ſieben Bergen Führſt droben pünktlich du mit kühler Bruſt Den kleinen Haushalt deinen ſieben Zwergen?“ Ein ſpottend Echo nur antwortet' mir, Die Felsſtirn rümpfte lachend ihre Falten Und doch, und doch, mir war's, ich hätt' von dir, Schneewittchen! einen lieben Gruß erhalten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/190
Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/190>, abgerufen am 18.11.2024.