Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.Spielzeug. Liebchen fand ich spielend. Einen Kasten Hatte sie entdeckt voll längst vergeßnen Staub'gen Kinderspielzeugs: Mauern, Thore, Rathhaus, Häuser, Häuserchen und Kirche ... Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken Händen, stellt' den Kirchthurm in die Mitte. Doch ein Häuschen hatt' sie vorbehalten, Vorbehalten sieben grüne Pappeln Für ein allerliebstes kleines Landgut. Nicht zu nah! Im Städtchen klatscht man sündlich. Nicht zu ferne! Man bedarf der Menschen. "Eben sind wir eingezogen!" jubelt' Sie und klatscht' in ihre kleinen Hände. In der Wonne des erworbnen Heimes Riß ich Liebchen an mich so gewaltsam, Daß den Arm sie streckte wie ertrinkend ... Was erwischte sie mit schnellen Fingern, Eng an meine Brust gepreßt? Die Kirche, Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's Und sie stellt' sie dicht vor unser Landhaus. Spielzeug. Liebchen fand ich ſpielend. Einen Kaſten Hatte ſie entdeckt voll längſt vergeßnen Staub'gen Kinderſpielzeugs: Mauern, Thore, Rathhaus, Häuſer, Häuſerchen und Kirche ... Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken Händen, ſtellt' den Kirchthurm in die Mitte. Doch ein Häuschen hatt' ſie vorbehalten, Vorbehalten ſieben grüne Pappeln Für ein allerliebſtes kleines Landgut. Nicht zu nah! Im Städtchen klatſcht man ſündlich. Nicht zu ferne! Man bedarf der Menſchen. „Eben ſind wir eingezogen!“ jubelt' Sie und klatſcht' in ihre kleinen Hände. In der Wonne des erworbnen Heimes Riß ich Liebchen an mich ſo gewaltſam, Daß den Arm ſie ſtreckte wie ertrinkend ... Was erwiſchte ſie mit ſchnellen Fingern, Eng an meine Bruſt gepreßt? Die Kirche, Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's Und ſie ſtellt' ſie dicht vor unſer Landhaus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0174" n="160"/> </div> <div n="2"> <head>Spielzeug.<lb/></head> <lg type="poem"> <l>Liebchen fand ich ſpielend. Einen Kaſten</l><lb/> <l>Hatte ſie entdeckt voll längſt vergeßnen</l><lb/> <l>Staub'gen Kinderſpielzeugs: Mauern, Thore,</l><lb/> <l>Rathhaus, Häuſer, Häuſerchen und Kirche ...</l><lb/> <l>Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken</l><lb/> <l>Händen, ſtellt' den Kirchthurm in die Mitte.</l><lb/> <l>Doch ein Häuschen hatt' ſie vorbehalten,</l><lb/> <l>Vorbehalten ſieben grüne Pappeln</l><lb/> <l>Für ein allerliebſtes kleines Landgut.</l><lb/> <l>Nicht zu nah! Im Städtchen klatſcht man ſündlich.</l><lb/> <l>Nicht zu ferne! Man bedarf der Menſchen.</l><lb/> <l>„Eben ſind wir eingezogen!“ jubelt'</l><lb/> <l>Sie und klatſcht' in ihre kleinen Hände.</l><lb/> <l>In der Wonne des erworbnen Heimes</l><lb/> <l>Riß ich Liebchen an mich ſo gewaltſam,</l><lb/> <l>Daß den Arm ſie ſtreckte wie ertrinkend ...</l><lb/> <l>Was erwiſchte ſie mit ſchnellen Fingern,</l><lb/> <l>Eng an meine Bruſt gepreßt? Die Kirche,</l><lb/> <l>Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's</l><lb/> <l>Und ſie ſtellt' ſie dicht vor unſer Landhaus.</l><lb/> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [160/0174]
Spielzeug.
Liebchen fand ich ſpielend. Einen Kaſten
Hatte ſie entdeckt voll längſt vergeßnen
Staub'gen Kinderſpielzeugs: Mauern, Thore,
Rathhaus, Häuſer, Häuſerchen und Kirche ...
Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken
Händen, ſtellt' den Kirchthurm in die Mitte.
Doch ein Häuschen hatt' ſie vorbehalten,
Vorbehalten ſieben grüne Pappeln
Für ein allerliebſtes kleines Landgut.
Nicht zu nah! Im Städtchen klatſcht man ſündlich.
Nicht zu ferne! Man bedarf der Menſchen.
„Eben ſind wir eingezogen!“ jubelt'
Sie und klatſcht' in ihre kleinen Hände.
In der Wonne des erworbnen Heimes
Riß ich Liebchen an mich ſo gewaltſam,
Daß den Arm ſie ſtreckte wie ertrinkend ...
Was erwiſchte ſie mit ſchnellen Fingern,
Eng an meine Bruſt gepreßt? Die Kirche,
Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's
Und ſie ſtellt' ſie dicht vor unſer Landhaus.
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Zitationshilfe: | Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/174>, abgerufen am 22.02.2025. |