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Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882.

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Drin hausen nur Gespenster
Für den der an Gespenster glaubt --
Sobald das Jahr den Wald entlaubt,
Macht sich der Herr von hinnen
Von diesen luft'gen Zinnen --
Schwelgt in der Stadt im Marmorsaal
Und spielt bei lust'gem Kerzenstrahl.
Kling, kling! Ich hör' es klingen,
Wie goldne Füchse springen ...
Dein Vater -- ward mir recht gesagt? --
War Pächter und ist ausgejagt ...
Da weißt du droben ein und aus,
Du kennst den Hund, du kennst das Haus --
Ich borgte mir mein Spielgeld frisch
Von dieses reichen Mannes Tisch!
Nimm was da liegt, nimm was da steht:
Ein Prunkgeschirr, ein Goldgerät,
Mir darfst du's gleich verhandeln,
Ich kann's in Münze wandeln.
Von selber öffnet sich der Schrein,
Du müßtest nicht ein Schlosser sein ..."
Der Bursche lauscht mit dumpfem Hirn
Dem höllischen Gemunkel,
Ein Schatten steht auf seiner Stirn,
Ein Schatten tief und dunkel:
Und wieder leis und lüstern
Beginnt das grimme Flüstern:
"Kurt, sieh den Lauf der Welt dir an!
Was wohl gelingt, ist wohl gethan!
Betrachte dir die Thaten
Der großen Diplomaten,
Drin hauſen nur Geſpenſter
Für den der an Geſpenſter glaubt —
Sobald das Jahr den Wald entlaubt,
Macht ſich der Herr von hinnen
Von dieſen luft'gen Zinnen —
Schwelgt in der Stadt im Marmorſaal
Und ſpielt bei luſt'gem Kerzenſtrahl.
Kling, kling! Ich hör' es klingen,
Wie goldne Füchſe ſpringen ...
Dein Vater — ward mir recht geſagt? —
War Pächter und iſt ausgejagt ...
Da weißt du droben ein und aus,
Du kennſt den Hund, du kennſt das Haus —
Ich borgte mir mein Spielgeld friſch
Von dieſes reichen Mannes Tiſch!
Nimm was da liegt, nimm was da ſteht:
Ein Prunkgeſchirr, ein Goldgerät,
Mir darfſt du's gleich verhandeln,
Ich kann's in Münze wandeln.
Von ſelber öffnet ſich der Schrein,
Du müßteſt nicht ein Schloſſer ſein ...“
Der Burſche lauſcht mit dumpfem Hirn
Dem hölliſchen Gemunkel,
Ein Schatten ſteht auf ſeiner Stirn,
Ein Schatten tief und dunkel:
Und wieder leis und lüſtern
Beginnt das grimme Flüſtern:
„Kurt, ſieh den Lauf der Welt dir an!
Was wohl gelingt, iſt wohl gethan!
Betrachte dir die Thaten
Der großen Diplomaten,
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[102/0116] Drin hauſen nur Geſpenſter Für den der an Geſpenſter glaubt — Sobald das Jahr den Wald entlaubt, Macht ſich der Herr von hinnen Von dieſen luft'gen Zinnen — Schwelgt in der Stadt im Marmorſaal Und ſpielt bei luſt'gem Kerzenſtrahl. Kling, kling! Ich hör' es klingen, Wie goldne Füchſe ſpringen ... Dein Vater — ward mir recht geſagt? — War Pächter und iſt ausgejagt ... Da weißt du droben ein und aus, Du kennſt den Hund, du kennſt das Haus — Ich borgte mir mein Spielgeld friſch Von dieſes reichen Mannes Tiſch! Nimm was da liegt, nimm was da ſteht: Ein Prunkgeſchirr, ein Goldgerät, Mir darfſt du's gleich verhandeln, Ich kann's in Münze wandeln. Von ſelber öffnet ſich der Schrein, Du müßteſt nicht ein Schloſſer ſein ...“ Der Burſche lauſcht mit dumpfem Hirn Dem hölliſchen Gemunkel, Ein Schatten ſteht auf ſeiner Stirn, Ein Schatten tief und dunkel: Und wieder leis und lüſtern Beginnt das grimme Flüſtern: „Kurt, ſieh den Lauf der Welt dir an! Was wohl gelingt, iſt wohl gethan! Betrachte dir die Thaten Der großen Diplomaten,

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Zitationshilfe: Meyer, Conrad Ferdinand: Gedichte. Leipzig, 1882, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/meyer_gedichte_1882/116>, abgerufen am 27.11.2024.