um so mehr Tragbarkeit, als man die Stützen oberhalb gegen einan- der neigte.
War der Deckstein einer solchen Maueröffnung, wie gewöhn- lich noch mit hohem Mauerwerk überdeckt, so mußte man be- dacht sein, ihm die Last abzunehmen, welches dadurch geschah, daß man auf ihn zwei große Steine so im Dreieck aufrichtete, daß die Spitze des Dreiecks nach oben gerichtet war, wodurch der Druck der oberen Mauer von dem Decksteine ab, nach der daneben befindlichen Mauer und auf die Stützen des Decksteins geleitet wurde.
Eine solche Anordnung findet man z. B. an dem antiken Stadt- thore zu Mycene und an den Eingängen der ägyptischen Pyramiden.
2) Gewölbe aus einzelnen Steinen so gebildet, daß die Deckenfläche eine gekrümmte Linie macht, und daß die Fugenschnitte nach einem oder mehreren Mit- telpunkten der krummen Linie gehen, welche die Decke selbst beschreibt.
Hierbei können verschiedene Fälle eintreten. Entweder die Gewölbelinie ist eine stätige Linie (daß sie ohne Knick von einem Punkte ihres Auflagers bis zum andern geht), wie der Halbkreis, der flache Kreisbogen, die Elipfe etc. Oder die Gewölbelinie ist keine stätige Linie, sondern eine gebrochene (sie hat also einen Knick), wie bei einem Spitzbogen.
Jn allen diesen Fällen geht der Fugenschnitt verlängert nach den Mittelpunkten (Brennpunkten) derjenigen krummen Linien, nach wel- chen das Gewölbe selbst sich biegt.
Ferner kann bei solchen Gewölben noch der wesentliche Unter- schied eintreten, daß ihre einzelnen Steine durch Mörtel verbunden sind oder nicht.
Sind die einzelnen Steine durch Mörtel verbunden, so werden solche Gewölbe, so lange der Mörtel nicht getrocknet ist, eine Masse bilden, welche nach Bewegung strebt, weil die einzelnen Steine sowohl das Bestreben haben werden, einem Schube nach der Seite, als dem senkrechten Drucke zu folgen. Dies Bestreben nach Bewegung, na- mentlich der Seitenschub, wird immer mehr aufhören, je mehr der Mörtel austrocknet; weil dadurch das Gewölbe immer mehr zu einer zusammenhängenden Masse wird. Das Bestreben nach Bewegung aber wird ganz aufhören, wenn der Mörtel völlig ausgetrocknet ist, alsdann ist das ganze Gewölbe gleichsam nur wie ein einziger aus- gehöhlter Stein zu betrachten, der gar keinen Seitenschub mehr aus-
um ſo mehr Tragbarkeit, als man die Stützen oberhalb gegen einan- der neigte.
War der Deckſtein einer ſolchen Maueröffnung, wie gewöhn- lich noch mit hohem Mauerwerk überdeckt, ſo mußte man be- dacht ſein, ihm die Laſt abzunehmen, welches dadurch geſchah, daß man auf ihn zwei große Steine ſo im Dreieck aufrichtete, daß die Spitze des Dreiecks nach oben gerichtet war, wodurch der Druck der oberen Mauer von dem Deckſteine ab, nach der daneben befindlichen Mauer und auf die Stützen des Deckſteins geleitet wurde.
Eine ſolche Anordnung findet man z. B. an dem antiken Stadt- thore zu Mycene und an den Eingängen der ägyptiſchen Pyramiden.
2) Gewölbe aus einzelnen Steinen ſo gebildet, daß die Deckenfläche eine gekrümmte Linie macht, und daß die Fugenſchnitte nach einem oder mehreren Mit- telpunkten der krummen Linie gehen, welche die Decke ſelbſt beſchreibt.
Hierbei können verſchiedene Fälle eintreten. Entweder die Gewölbelinie iſt eine ſtätige Linie (daß ſie ohne Knick von einem Punkte ihres Auflagers bis zum andern geht), wie der Halbkreis, der flache Kreisbogen, die Elipfe ꝛc. Oder die Gewölbelinie iſt keine ſtätige Linie, ſondern eine gebrochene (ſie hat alſo einen Knick), wie bei einem Spitzbogen.
Jn allen dieſen Fällen geht der Fugenſchnitt verlängert nach den Mittelpunkten (Brennpunkten) derjenigen krummen Linien, nach wel- chen das Gewölbe ſelbſt ſich biegt.
Ferner kann bei ſolchen Gewölben noch der weſentliche Unter- ſchied eintreten, daß ihre einzelnen Steine durch Mörtel verbunden ſind oder nicht.
Sind die einzelnen Steine durch Mörtel verbunden, ſo werden ſolche Gewölbe, ſo lange der Mörtel nicht getrocknet iſt, eine Maſſe bilden, welche nach Bewegung ſtrebt, weil die einzelnen Steine ſowohl das Beſtreben haben werden, einem Schube nach der Seite, als dem ſenkrechten Drucke zu folgen. Dies Beſtreben nach Bewegung, na- mentlich der Seitenſchub, wird immer mehr aufhören, je mehr der Mörtel austrocknet; weil dadurch das Gewölbe immer mehr zu einer zuſammenhängenden Maſſe wird. Das Beſtreben nach Bewegung aber wird ganz aufhören, wenn der Mörtel völlig ausgetrocknet iſt, alsdann iſt das ganze Gewölbe gleichſam nur wie ein einziger aus- gehöhlter Stein zu betrachten, der gar keinen Seitenſchub mehr aus-
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um ſo mehr Tragbarkeit, als man die Stützen oberhalb gegen einan-
der neigte.
War der Deckſtein einer ſolchen Maueröffnung, wie gewöhn-
lich noch mit hohem Mauerwerk überdeckt, ſo mußte man be-
dacht ſein, ihm die Laſt abzunehmen, welches dadurch geſchah, daß
man auf ihn zwei große Steine ſo im Dreieck aufrichtete, daß die
Spitze des Dreiecks nach oben gerichtet war, wodurch der Druck der
oberen Mauer von dem Deckſteine ab, nach der daneben befindlichen
Mauer und auf die Stützen des Deckſteins geleitet wurde.
Eine ſolche Anordnung findet man z. B. an dem antiken Stadt-
thore zu Mycene und an den Eingängen der ägyptiſchen Pyramiden.
2) Gewölbe aus einzelnen Steinen ſo gebildet,
daß die Deckenfläche eine gekrümmte Linie macht, und
daß die Fugenſchnitte nach einem oder mehreren Mit-
telpunkten der krummen Linie gehen, welche die Decke
ſelbſt beſchreibt.
Hierbei können verſchiedene Fälle eintreten. Entweder die
Gewölbelinie iſt eine ſtätige Linie (daß ſie ohne Knick von einem
Punkte ihres Auflagers bis zum andern geht), wie der Halbkreis, der
flache Kreisbogen, die Elipfe ꝛc. Oder die Gewölbelinie iſt keine ſtätige
Linie, ſondern eine gebrochene (ſie hat alſo einen Knick), wie bei
einem Spitzbogen.
Jn allen dieſen Fällen geht der Fugenſchnitt verlängert nach den
Mittelpunkten (Brennpunkten) derjenigen krummen Linien, nach wel-
chen das Gewölbe ſelbſt ſich biegt.
Ferner kann bei ſolchen Gewölben noch der weſentliche Unter-
ſchied eintreten, daß ihre einzelnen Steine durch Mörtel verbunden
ſind oder nicht.
Sind die einzelnen Steine durch Mörtel verbunden, ſo werden
ſolche Gewölbe, ſo lange der Mörtel nicht getrocknet iſt, eine Maſſe
bilden, welche nach Bewegung ſtrebt, weil die einzelnen Steine ſowohl
das Beſtreben haben werden, einem Schube nach der Seite, als dem
ſenkrechten Drucke zu folgen. Dies Beſtreben nach Bewegung, na-
mentlich der Seitenſchub, wird immer mehr aufhören, je mehr der
Mörtel austrocknet; weil dadurch das Gewölbe immer mehr zu einer
zuſammenhängenden Maſſe wird. Das Beſtreben nach Bewegung
aber wird ganz aufhören, wenn der Mörtel völlig ausgetrocknet iſt,
alsdann iſt das ganze Gewölbe gleichſam nur wie ein einziger aus-
gehöhlter Stein zu betrachten, der gar keinen Seitenſchub mehr aus-
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Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/169>, abgerufen am 28.07.2024.
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