Unter einem Gewölbe versteht man jetzt jede Decke eines ge- gebenen Raumes, welche aus einzelnen Steinstücken (mit oder ohne Mörtel) so zusammengefügt ist, daß die Fugen der einzelnen Steine, wenn man ihre Richtungslinien verlängert, durch den Mittelpunkt der- jenigen krummen Linie gehen, nach welcher das Gewölbe selbst ge- krümmt ist.
Wäre demnach der Bogen, welchen das Gewölbe beschriebe, ein Halbkreis, so würden die Fugenschnitte nach dem Mittelpunkte dieses Halbkreises gehen. Wäre das Gewölbe halbkugelförmig, so würden sämmtliche Fugenschnitte verlängert im Mittelpunkte dieser Halbkugel zusammentreffen, u. s. w. auch bei andern Krümmungslinien. Der Fugenschnitt eines jeden Gewölbes geht also verlängert nach den je- desmaligen sogenannten Brennpunkten, aus denen die krumme Linie beschrieben ist, welche das Gewölbe bildet.
Der höchste Punkt eines Bogens oder Gewölbes heißt der Scheitel, die unteren Theile die Gewölbeschenkel oder Füße. Der Gewölbestein im Schlusse des Bogens heißt der Schlußstein. Die vordere Ansicht eines Bogens heißt die Stirnfläche. Die innere Wölbungsfläche die Laibung. Die auf beiden Seiten des Bogens befindlichen Mauern, worauf die Gewölbeschenkel gestützt sind, heißen die Widerlager, und der oberste Theil eines Widerlagers, wo das Gewölbe anfängt, heißt der Kämpfer. Das Verhältniß der lichten Höhe eines Bogens zu seiner lichten Weite heißt die Spannung des Bogens.
1) Als man diese Art der Gewölbe noch nicht kannte, bildete man im Alterthume schon vielfach Decken aus Stein, welche aus wagerecht quer über den Raum gelegten großen Steinträgern bestanden, deren Zwischenräume man oberhalb wieder durch Steinstücke von kleineren Abmessungen bedeckte, und so eine Eindeckung des Raumes bildete,
Vierte Abtheilung. Die Gewölbe.
§. 37. Allgemeines.
Unter einem Gewölbe verſteht man jetzt jede Decke eines ge- gebenen Raumes, welche aus einzelnen Steinſtücken (mit oder ohne Mörtel) ſo zuſammengefügt iſt, daß die Fugen der einzelnen Steine, wenn man ihre Richtungslinien verlängert, durch den Mittelpunkt der- jenigen krummen Linie gehen, nach welcher das Gewölbe ſelbſt ge- krümmt iſt.
Wäre demnach der Bogen, welchen das Gewölbe beſchriebe, ein Halbkreis, ſo würden die Fugenſchnitte nach dem Mittelpunkte dieſes Halbkreiſes gehen. Wäre das Gewölbe halbkugelförmig, ſo würden ſämmtliche Fugenſchnitte verlängert im Mittelpunkte dieſer Halbkugel zuſammentreffen, u. ſ. w. auch bei andern Krümmungslinien. Der Fugenſchnitt eines jeden Gewölbes geht alſo verlängert nach den je- desmaligen ſogenannten Brennpunkten, aus denen die krumme Linie beſchrieben iſt, welche das Gewölbe bildet.
Der höchſte Punkt eines Bogens oder Gewölbes heißt der Scheitel, die unteren Theile die Gewölbeſchenkel oder Füße. Der Gewölbeſtein im Schluſſe des Bogens heißt der Schlußſtein. Die vordere Anſicht eines Bogens heißt die Stirnfläche. Die innere Wölbungsfläche die Laibung. Die auf beiden Seiten des Bogens befindlichen Mauern, worauf die Gewölbeſchenkel geſtützt ſind, heißen die Widerlager, und der oberſte Theil eines Widerlagers, wo das Gewölbe anfängt, heißt der Kämpfer. Das Verhältniß der lichten Höhe eines Bogens zu ſeiner lichten Weite heißt die Spannung des Bogens.
1) Als man dieſe Art der Gewölbe noch nicht kannte, bildete man im Alterthume ſchon vielfach Decken aus Stein, welche aus wagerecht quer über den Raum gelegten großen Steinträgern beſtanden, deren Zwiſchenräume man oberhalb wieder durch Steinſtücke von kleineren Abmeſſungen bedeckte, und ſo eine Eindeckung des Raumes bildete,
<TEI><text><body><pbfacs="#f0166"/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vierte Abtheilung.</hi></hi><lb/>
Die Gewölbe.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">§. 37. <hirendition="#g">Allgemeines.</hi></hi></head><lb/><p>Unter einem Gewölbe verſteht man <hirendition="#g">jetzt</hi> jede Decke eines ge-<lb/>
gebenen Raumes, welche aus einzelnen Steinſtücken (mit oder ohne<lb/>
Mörtel) ſo zuſammengefügt iſt, daß die Fugen der einzelnen Steine,<lb/>
wenn man ihre Richtungslinien verlängert, durch den Mittelpunkt der-<lb/>
jenigen krummen Linie gehen, nach welcher das Gewölbe ſelbſt ge-<lb/>
krümmt iſt.</p><lb/><p>Wäre demnach der Bogen, welchen das Gewölbe beſchriebe, ein<lb/>
Halbkreis, ſo würden die Fugenſchnitte nach dem Mittelpunkte dieſes<lb/>
Halbkreiſes gehen. Wäre das Gewölbe halbkugelförmig, ſo würden<lb/>ſämmtliche Fugenſchnitte verlängert im Mittelpunkte dieſer Halbkugel<lb/>
zuſammentreffen, u. ſ. w. auch bei andern Krümmungslinien. Der<lb/>
Fugenſchnitt eines jeden Gewölbes geht alſo verlängert nach den je-<lb/>
desmaligen ſogenannten <hirendition="#g">Brennpunkten,</hi> aus denen die krumme<lb/>
Linie beſchrieben iſt, welche das Gewölbe bildet.</p><lb/><p>Der höchſte Punkt eines Bogens oder Gewölbes heißt der<lb/><hirendition="#g">Scheitel,</hi> die unteren Theile die <hirendition="#g">Gewölbeſchenkel</hi> oder Füße.<lb/>
Der Gewölbeſtein im Schluſſe des Bogens heißt der Schlußſtein. Die<lb/>
vordere Anſicht eines Bogens heißt die <hirendition="#g">Stirnfläche.</hi> Die innere<lb/>
Wölbungsfläche die <hirendition="#g">Laibung.</hi> Die auf beiden Seiten des Bogens<lb/>
befindlichen Mauern, worauf die Gewölbeſchenkel geſtützt ſind, heißen<lb/>
die <hirendition="#g">Widerlager,</hi> und der oberſte Theil eines Widerlagers, wo das<lb/>
Gewölbe anfängt, heißt der <hirendition="#g">Kämpfer.</hi> Das Verhältniß der lichten<lb/>
Höhe eines Bogens zu ſeiner lichten Weite heißt die <hirendition="#g">Spannung</hi><lb/>
des Bogens.</p><lb/><p>1) Als man dieſe Art der Gewölbe noch nicht kannte, bildete man<lb/>
im Alterthume ſchon vielfach Decken aus Stein, welche aus wagerecht<lb/>
quer über den Raum gelegten großen Steinträgern beſtanden, deren<lb/>
Zwiſchenräume man oberhalb wieder durch Steinſtücke von kleineren<lb/>
Abmeſſungen bedeckte, und ſo eine Eindeckung des Raumes bildete,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[0166]
Vierte Abtheilung.
Die Gewölbe.
§. 37. Allgemeines.
Unter einem Gewölbe verſteht man jetzt jede Decke eines ge-
gebenen Raumes, welche aus einzelnen Steinſtücken (mit oder ohne
Mörtel) ſo zuſammengefügt iſt, daß die Fugen der einzelnen Steine,
wenn man ihre Richtungslinien verlängert, durch den Mittelpunkt der-
jenigen krummen Linie gehen, nach welcher das Gewölbe ſelbſt ge-
krümmt iſt.
Wäre demnach der Bogen, welchen das Gewölbe beſchriebe, ein
Halbkreis, ſo würden die Fugenſchnitte nach dem Mittelpunkte dieſes
Halbkreiſes gehen. Wäre das Gewölbe halbkugelförmig, ſo würden
ſämmtliche Fugenſchnitte verlängert im Mittelpunkte dieſer Halbkugel
zuſammentreffen, u. ſ. w. auch bei andern Krümmungslinien. Der
Fugenſchnitt eines jeden Gewölbes geht alſo verlängert nach den je-
desmaligen ſogenannten Brennpunkten, aus denen die krumme
Linie beſchrieben iſt, welche das Gewölbe bildet.
Der höchſte Punkt eines Bogens oder Gewölbes heißt der
Scheitel, die unteren Theile die Gewölbeſchenkel oder Füße.
Der Gewölbeſtein im Schluſſe des Bogens heißt der Schlußſtein. Die
vordere Anſicht eines Bogens heißt die Stirnfläche. Die innere
Wölbungsfläche die Laibung. Die auf beiden Seiten des Bogens
befindlichen Mauern, worauf die Gewölbeſchenkel geſtützt ſind, heißen
die Widerlager, und der oberſte Theil eines Widerlagers, wo das
Gewölbe anfängt, heißt der Kämpfer. Das Verhältniß der lichten
Höhe eines Bogens zu ſeiner lichten Weite heißt die Spannung
des Bogens.
1) Als man dieſe Art der Gewölbe noch nicht kannte, bildete man
im Alterthume ſchon vielfach Decken aus Stein, welche aus wagerecht
quer über den Raum gelegten großen Steinträgern beſtanden, deren
Zwiſchenräume man oberhalb wieder durch Steinſtücke von kleineren
Abmeſſungen bedeckte, und ſo eine Eindeckung des Raumes bildete,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Menzel, Carl August (Hrsg.): Der praktische Maurer. Halle, 1847, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_maurer_1847/166>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.