Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.ihren nationellen Besonderheiten war ihre Verstandes¬ Ohne Zweifel ist es der plastische klare Verstand Lessing brachte die aberwitzig gewordne deut¬ ihren nationellen Beſonderheiten war ihre Verſtandes¬ Ohne Zweifel iſt es der plaſtiſche klare Verſtand Leſſing brachte die aberwitzig gewordne deut¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0094" n="84"/> ihren nationellen Beſonderheiten war ihre Verſtandes¬<lb/> bildung eine ſo allgemeine, daß alle Voͤlker bei ihnen<lb/> in die Schule gehen koͤnnen, und nicht minder ihre<lb/> geſellige Kunſtbildung. Die Wahrheit, Natur und<lb/> Grazie dieſer Bildung leuchtet allen Voͤlkern als Mu¬<lb/> ſter voran. Sie war rein menſchlich, darum iſt es keine<lb/> Nachahmung, ſich nach ihnen zu richten, ſondern nur<lb/> ein natuͤrliches Beſtreben der menſchlichen Natur, ſo¬<lb/> bald ſie ſich ihrer bewußt wird und einige Sicherheit<lb/> in dem, was ſie will, erlangt hat. Wir ahmen nicht<lb/> die Griechen nach, die Griechen lehren uns nur, wie<lb/> wir unſern eignen Verſtand ausbilden, und wie wir<lb/> auch in unſer Leben die Grazien einfuͤhren ſollen.</p><lb/> <p>Ohne Zweifel iſt es der plaſtiſche klare Verſtand<lb/> und die leichte natuͤrliche Grazie, was uns an den<lb/> Griechen zuerſt anziehen muß, was wir uns anzu¬<lb/> eignen den lebhafteſten Drang fuͤhlen muͤſſen, wenn<lb/> wir nur einigen richtigen Takt, ein geſundes Natur¬<lb/> gefuͤhl aus dem Wuſt der mißgeſchaffnen Peruͤcken¬<lb/> welt gerettet haben. Darum wandten ſich auch die<lb/> erſten Maͤnner, die den beſſern Geſchmack herſtellten,<lb/> ſogleich an den Verſtand, an die Grazie Griechen¬<lb/> lands. Dieſe Maͤnner waren Leſſing und Wieland.<lb/> Man kann in ihnen den Unterſchied der Nord- und<lb/> Suͤddeutſchen nicht verkennen.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Leſſing</hi> brachte die aberwitzig gewordne deut¬<lb/> ſche Poeſie zuerſt wieder zu Verſtand. Er war zwar<lb/> weniger Dichter, als Kritiker, aber die Maſſe von<lb/> Verſtand, die er in Bezug auf aͤſthetiſche Gegen¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0094]
ihren nationellen Beſonderheiten war ihre Verſtandes¬
bildung eine ſo allgemeine, daß alle Voͤlker bei ihnen
in die Schule gehen koͤnnen, und nicht minder ihre
geſellige Kunſtbildung. Die Wahrheit, Natur und
Grazie dieſer Bildung leuchtet allen Voͤlkern als Mu¬
ſter voran. Sie war rein menſchlich, darum iſt es keine
Nachahmung, ſich nach ihnen zu richten, ſondern nur
ein natuͤrliches Beſtreben der menſchlichen Natur, ſo¬
bald ſie ſich ihrer bewußt wird und einige Sicherheit
in dem, was ſie will, erlangt hat. Wir ahmen nicht
die Griechen nach, die Griechen lehren uns nur, wie
wir unſern eignen Verſtand ausbilden, und wie wir
auch in unſer Leben die Grazien einfuͤhren ſollen.
Ohne Zweifel iſt es der plaſtiſche klare Verſtand
und die leichte natuͤrliche Grazie, was uns an den
Griechen zuerſt anziehen muß, was wir uns anzu¬
eignen den lebhafteſten Drang fuͤhlen muͤſſen, wenn
wir nur einigen richtigen Takt, ein geſundes Natur¬
gefuͤhl aus dem Wuſt der mißgeſchaffnen Peruͤcken¬
welt gerettet haben. Darum wandten ſich auch die
erſten Maͤnner, die den beſſern Geſchmack herſtellten,
ſogleich an den Verſtand, an die Grazie Griechen¬
lands. Dieſe Maͤnner waren Leſſing und Wieland.
Man kann in ihnen den Unterſchied der Nord- und
Suͤddeutſchen nicht verkennen.
Leſſing brachte die aberwitzig gewordne deut¬
ſche Poeſie zuerſt wieder zu Verſtand. Er war zwar
weniger Dichter, als Kritiker, aber die Maſſe von
Verſtand, die er in Bezug auf aͤſthetiſche Gegen¬
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